Elektropop aus der Schweiz: Odd Beholder begeistern am 09.12.2024 das Publikum in der Nochtwache – obwohl sie viele Fragen offen lassen
von Sven Weiss
Man sollte sich an diesem Abend nicht täuschen lassen. Nicht von dem quietsch-rosa Oversize-Anzug, den Daniela Weinmann alias Odd Beholder trägt. Nicht von der guten Laune, die Weinmann und ihre Mitmusikerin Élodie Romain auf der Bühne versprühen. Und auch nicht von den zuckersüßen Melodien, die – von teils stampfenden Beats begleitet – die Hamburger Nochtwache erfüllen. Denn hinter all dem Wohlklang lauern dunkle Abgründe. Darauf weist bereits Romain hin, die unter dem Projektnamen Billie Bird das Vorprogramm bestreitet – alleine, mit extrem reduziertem Sound. Ein paarmal verspielt sie sich auf der Gitarre, macht das aber mit ihrem Charme locker wett. Zu einem ihrer Songs, kauderwelscht die französischsprachige Schweizerin „It’s about not feeling the Schmerz anymore“. Und setzt damit den Ton für den weiteren Abend.
Songs about not feeling the Schmerz anymore
Denn auch Weinmann wird nicht müde, zu betonen, dass ihre Songs aus dem Schmerz geboren seien. Manchmal müsse man gegen das innere Monster ankämpfen, so die Schweizerin. Das sei durchaus positiv, schließlich wolle sie mit ihrer Kunst etwas bewegen, nicht nur unterhalten. Für diese Ansage bekommt sie prompt Applaus. Zu schwermütig wird es aber zum Glück nicht. Dafür sorgen die wunderbaren Elektropop-Kleinode, die Odd Beholder dem aufmerksamen Publikum servieren – mal mit tanzbaren Grooves, mal melancholisch-atmosphärisch.
Weinmann agiert auf der Bühne eher schüchtern. Ihre Telecaster wirkt ein wenig zu groß für sie, nur vereinzelt schlägt sie ein paar Akkorde an. Was jedoch kaum ins Gewicht fällt, denn die Klangwand der Band wird fast ausschließlich elektronisch erzeugt. Und so bleibt es Romain überlassen, ab und zu mit einem beherzten Einzählen oder ein paar Albernheiten die Stimmung anzuheizen. Weinmann sei zwar der Boss, sie aber habe die Power, scherzt sie und wirft ihre Beatmaschine an.
Antworten sind bei Odd Beholder nicht inbegriffen
Gut 40 Gäste sind gekommen. An einem Montagabend, worüber sich die beiden Musikerinnen sichtbar freuen. Einige davon waren auch schon beim letzten Konzert im März dabei, Weinmann will ein paar Gesichter wiedererkannt haben. Und die freuen sich, als „Disaster Movies“ und „Just Because I Regret It“ gespielt werden. Die zwei Songs verdienen am ehesten den Hit-Stempel und sind – vielleicht etwas ungeschickt – direkt hintereinander in der Mitte des Sets platziert.
Am Ende kommt Weinmann noch einmal auf das Thema Monster zu sprechen. Auch auf dem Albumcover ist ein solches abgebildet. Was sich aber genau dahinter verbirgt – diese Frage lässt die Künstlerin bewusst offen. Wer die passenden Antworten will, solle die zu den einzelnen Songs angefertigten Videos auf Youtube ansehen. Durchaus viel verlangt. Doch die glücklichen Gesichter der Konzertbesucher lassen vermuten, dass so mancher zu Hause noch auf Youtube klicken wird.