Was Wikipedia lapidar als „Heavy Metal Band“ abtut, ist unendlich viel mehr. Oceans Of Slumber zementieren mit Album Nr. 6 ihr solitäres Dasein zwischen Prog, Doom, Blues und Americana.
von Michael Thieme
Seit 2014, als die Truppe aus Houston (Texas) Cammie Gilbert das Mikrofon übernehmen ließ, entwickelt die Band eine immer homogenere Soundmasse, die auf den schweren Rhythmen des Doom fußt, spielerische Ausreißer ins Proggige oder gar in den Death Metal zelebriert und dabei immer knietief in den US-amerikanischen Musiktraditionen watet – gleichermaßen Einflüsse aus Blues, Folk oder dem Great American Songbook integrierend. Oceans Of Slumber überzeugen dabei ebenso auf Festivals oder Tourneen mit Doom-, Prog- und sogar Black Metal-Bands sowie mit rein akustisch auftretenden Begleitern (Review aus Frankfurt 2019 hier).
Cammie Gilbert heißt inzwischen Cammie Gilbert-Beverly, nachdem sie OoS-Bandgründer, -Schlagzeuger, -Pianisten sowie Akteur in mindestens zwei weiteren, extremeren Metalbands, Dobber Beverly, ehelichte. Die beiden sind in kreativer Hinsicht ein großartiges Paar, das seit 2019 vom Bassisten Semir Özerkan unterstützt wird sowie seit Kurzem von den Gitarristen Chris Jones und Chris Kritikos.
Call it „Dark, cinematic Metal“
Eine Selbsteinschätzung, die durchaus Sinn ergibt: „Where Gods Fear To Speak“ stellt ein Konzeptalbum da – wie ein vertonter Endzeitfilm mit Western-Elementen; laut Dobber Beverly: „…somewhere between The Handmaid’s Tale, The Dark Tower and Cormac McCarthy.“ Dabei tönt das Album weitaus angepisster und heftiger als der softere (und ebenso exzellente) Vorgänger „Starlight And Ash“. Kehlenwunder Cammie schreckt erstmals nicht vor sparsam, aber effektiv eingesetzten Death-Metal-Growls zurück und wird auf zwei Stücken unterstützt von den in diesem Bereich auch nicht so ganz unbefleckten Vokalisten Mikael Stanne (Dark Tranquility) sowie Fernando Ribeiro (Moonspell). Nicht, dass ohne die Beiden etwas auf dem Album gefehlt hätte.
Das obligatorische Cover bei Oceans Of Slumber
Nach einer fulminanten, fast einstündigen Berg- und Talfahrt, bei der sich beim wiederholten Genuss immer mehr faszinierende Klangwege offenbaren, endet der akustische Endzeitfilm mit einem imaginären Abspann, der von Chris Isaac’s „Wicked Game“ in der Version von Oceans Of Slumber untermalt wird. Solche Cover haben Tradition bei den Texanern – in der Vergangenheit machten sie sich „Nights In White Satin“ von The Moody Blues ebenso zu eigen wie den Traditional „Wayfaring Stranger“ oder „Wolf Moon“ von Type O Negative. Cammie Gilbert-Beverly, die im Interview mit Eclipsed 2020 verriet, dass u.a. Agnes Obel, Sevdaliza oder FKA Twigs zu ihren Einflüssen zählen, kann sowas eben. Ich wünsche mir sehr, dass diese Truppe ganz bald unsere Breiten betouren wird.
„Where Gods Fear To Speak“ von Oceans Of Slumber erscheint am 13.09.2024 bei Season Of Mist. (Beitragsbild von Zach Johnson)