Norbert Gstrein: Vier Tage, drei Nächte

Norbert Gstrein credit Oliver Wolf

Norbert Gstrein gelingt mit seinem neuen Roman „Vier Tage, drei Nächte“ ein vielschichtiges Psycho-Drama von kammerspielartiger Intensität

Der in Hamburg lebende österreichische Schriftsteller Norbert Gstrein fand sich mit seinem überragenden, auch von Sounds & Books rezensierten Roman „Der zweite Jakob“ 2021 auf der Shortlist des deutschen Buchpreises wieder und erhielt dafür außerdem noch den Düsseldorfer Literaturpreis. Im selben Jahr wurde Gstrein zudem mit dem Thomas-Mann-Preis für sein Gesamtwerk ausgezeichnet. Nur eineinhalb Jahre nach „Der zweite Jakob“ ist mit „Vier Tage, drei Nächte“ das nächste Buch des 1961 in Tirol geborenen Autors erschienen.  

Ein Roman in Corona-Zeiten

Norbert Gstrein Vier Tage drei Nächte Cover Hanser Verlag

Elias und Ines lieben sich, sind aber leider Halbgeschwister. Sie kennen sich bereits seit Kindheitstages, erfahren von ihrem Verwandtschaftsverhältnis aber erst im mittleren Teenageralter. Ihr Altersunterschied beträgt nur vier Monate, weil Elias‘ Vater – ein schwerreicher österreichischer Hotelier und Vorzeige-Patriarch mit einem ausgeprägten Ego, gleichzeitig die absolut unsympathischste Figur in Norbert Gstreins neuem Roman – parallel zur Schwangerschaft seiner Frau auch noch mit Ines Mutter ins Bett stieg, die zu Gast in seinem Hotel war und später häufiger als „Besucherin“ im Tiroler Domizil auftauchte. Die nunmehr unmögliche Liebe verbindet die beiden noch bis in die pandemische Gegenwart. Ich-Erzähler Elias möchte außer Ines keine andere Frau lieben und steht konsequenterweise sonst nur auf Männer. Elias, der als Flugbegleiter zu Corona-Zeit seinen Job verliert, und die als Literaturwissenschaftlerin arbeitende Ines verbringen viel Zeit miteinander, wohnen zusammen während des Studiums in Innsbruck, später auch in Berlin.

Norbert Gstrein bietet Reiz- und Reibungsflächen

Und jeder neue Mann in Ines Leben führt bei Elias zur Eifersucht. Und er reagiert auf seine ganz eigene Art. Den einen ihrer Freunde verführt er, den anderen schickt er in die Wüste und auf den nächsten verübt er einen als Unfall getarnten Anschlag bei einer Wanderung, wenngleich aus Affekt und den Umständen geschuldeter Möglichkeit. Norbert Gstrein bietet den Lesern mit seinen Protagonisten eine ausgeprägte Reiz- und Reibungsfläche. Während der Vater trotz massiver Corona-Einschränkungen nicht auf seine berühmt-berüchtigte, die Ski-Saison einläutende „Vier Tage, drei Nächte“- Feier in seinem Hotel verzichtet und sich anschließend mit einem Statement zur Lage vor laufender Kamera lächerlich macht, entpuppt sich sein Sohn als ein empathieloser Narziss und dessen Halbschwester letztendlich ebenfalls als eine eifersüchtige, womöglich zur Rache neigende Person, als sie in die Beziehung von Elias und dessen Freund Carl eingreift. Immerhin funktioniert die Abnabelung und Distanzierung zum unerträglichen Vater bei beiden stets besser.

Ein provokanter und abgründiger Drahtseilakt

Norbert Gstrein gelingt mit „Vier Tage, drei Nächte“ ein vielschichtiges Psycho-Drama von kammerspielartiger Intensität. Die Sehnsucht nach Liebe in einer lieblosen Zeit gerät für Gstreins Figuren zu einem provokanten wie abgründigen Drahtseilakt. Neben seiner gewohnt ästhetisch wertvollen Sprache sind erneut die Charakterzeichnungen das Faustpfand von Norbert Gstreins Prosa. Vielleicht nicht so überbordend spektakulär wie „Der zweite Jakob“, aber einen für ihn typischen und facettenreichen Roman hat Norbert Gstrein mit „Vier Tage, drei Nächte“ wieder geschrieben.

Norbert Gstrein: „Vier Tage, drei Nächte“, Hanser, Hardcover, 352 Seiten, 978-3-446-27398-6, 26 Euro. (Beitragsbild von Oliver Wolf)   

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