No Sugar, No Cream: Future, Exhale

No Sugar No Cream Pressefoto

Die Band heißt zwar No Sugar, No Cream, bietet aber alles Andere als Magerkost. Das neue Album des „New Americana“-Quintetts aus Karlsruhe ist ihr Opus magnum.

von Werner Herpell

Man muss nicht unbedingt in die USA oder nach Kanada schauen, um starke Americana-Musik zu entdecken. Was kürzlich hier schon über die neuen Alben des Schweden Jesper Lindell und der englischen Band The Hanging Stars zu berichten war, gilt auch für eine deutsche Folkpop- und Countryrock-Kombo: No Sugar, No Cream spielen laut nüchterner Selbstauskunft „New Americana from Southwest Germany“ – und wie wunderbar so etwas klingen kann, beweist das Quintett um den Karlsruher Singer-Songwriter Peter „Pete Jay“ Funk nun zum wiederholten Mal mit einem Album voller formvollendeter Roots-Music-Perlen.

Keine Profis, aber top-professionell

No Sugar, No Cream Future, Exhale Cover

„Future, Exhale“ enthält zehn neue Funk-Lieder, die oft schwermütig, aber auch mal aufgekratzt-treibend (in der Vorab-Auskopplung „Makes My Day“ oder der zusammen mit Gitarrist Oli „Earl Grey“ Grauer geschriebenen ZZ Top-Annäherung „Come On Home“) daherkommen. Kein einziger Song lässt hinter No Sugar, No Cream eine Band vermuten, die nur aus Spaß an der Freud‘ und „im Nebenberuf“ Musik macht: Sänger/Gitarrist Funk und Bassist Andreas „AJ“ Jüttner etwa sind Zeitungsjournalisten in ihrer Heimatstadt Karlsruhe, auch die anderen festen NSNC-Mitglieder Heike Wendelin (Gesang, Violine, Bratsche, Mandoline), Frank Schäffner (Schlagzeug) und Grauer spielen zwar top-professionell, sind aber keine Profis im Sinne von The Jayhawks oder Son Volt, mit denen sich ihre Musik am ehesten vergleichen lässt.

Zurück zum neuen Album: Nach mehreren bereits sehr hörenswerten Vorgängern und dem ausgereiften „Promises“ (2021) dürfte „Future, Exhale“ das Opus magnum von No Sugar, No Cream sein. Schon der fünfminütige Opener „Just Bear With Me“ mit seinen düster-elegischen und trotzig-aggressiven Klangfarben hebt das Songwriting auf ein neues Niveau. Funks melancholischer Lead-Gesang sowie Wendelins Geige und Backing-Vocals harmonieren aufs Herzallerliebste, die Rhythmusgruppe Jüttner/Schäffner schiebt toll an – das Lied geht „runter wie Öl“. Ein Ausrufezeichen nach all dem Corona-Elend.

„Eine Trennung von der Vergangenheit“

„Makes My Day“ spiegelt anschließend neue Lebensfreude. Passend zum Albumtitel – der sei nämlich „die Mitte des Spruchs ‚Inhale the future, exhale the past‘ und spukte schon während der Entstehung des Vorgängeralbums durch unsere Köpfe“, erklärt Funk. „Promises“ sei eine Trennungs-Platte gewesen – „das neue Album ist das in gewissem Sinne auch, allerdings geht es mehr um eine Trennung von der Vergangenheit. Und damit auch um einen Aufbruch.“ Diese beiden Grundstimmungen spiegeln sich in Songs wie „You Left Me Standing“ und „West Of Paris“ auf der einen Seite, „Moving On“ und „Meet The Future“ auf der anderen.

Nach zwei „ganz passabel“ überstandenen Corona-Sommern sei der Band „2022 irgendwie die Luft ausgegangen“, erzählt Funk, ein Singer-Songwriter mit erlesenem Musikgeschmack (seine drei Inselplatten sind „Blood On The Tracks“ von Bob Dylan, „Kind Of Blue“ von Miles Davis und „No Deeper Blue“ von Townes Van Zandt). Der Wendepunkt  war demnach ein Schweden-Urlaub, bei/nach dem Funk und Co-Autor „Earl Grey“ (auf drei Albumtracks) die Lieder nur so aus den Federn flossen. „Auf dem neuen Album sind zehn Songs – im Vorbereitungsprozess wurde vieles an- und ausprobiert, umarrangiert, verworfen und dann mal wieder ausgepackt“, so Funk. „Ich hatte ungefähr 20 Songs geschrieben. Manche hatten wir sogar geprobt, und trotzdem gerieten sie aus dem Blickfeld. Es war ein längerer Prozess als sonst, aber sehr hilfreich und konstruktiv. Wir würden sagen, er hat uns als Band nochmal weitergebracht.“

No Sugar, No Cream mit euphorisierender Wirkung

Das kann man wohl sagen. Eine epische Ballade wie „How Crazy It Can Get“, der prachtvolle Jingle-Jangle-Countryrocker „Looks Like Rain“ oder der Uptempo-Track „He Knows What It’s Like“ mit euphorisierender Mandoline sind neue Aushängeschilder für No Sugar, No Cream. Die Band hatte schon früher mit virtuosen Gastmusikern (etwa Chris Cacavas von Green On Red und The Dream Syndicate) ihre Anziehungskraft bewiesen, diesmal waren Stefan Roller (Pedal-Steel-Gitarre bei drei Stücken), Miriam Kühnel (Akkordeon) und Rolf Ableiter (Orgel und Produktion) mit dabei. „Gäste waren und sind für uns wichtig. Mit ihnen entwickeln wir uns weiter“, sagt Funk, dessen Lieblingssprüche von Americana-Legende Woody Guthrie („This machine kills fascists“) und Dylan („What looks large from a distance close up ain’t never that big“) stammen.

Für eine Zeit, in der das Bild von Amerika (zumindest der USA) sich angesichts des Trump-Lügenwahnsinns gerade wieder furchterregend verdüstert, ist schöne, ehrliche Americana-Musik umso wichtiger. No Sugar, No Cream liefern mit dem programmatischen „Future, Exhale“ einen superben Soundtrack für Gefühle zwischen Verunsicherung und (letztlich dann doch) Optimismus. Dafür ein dickes Dankeschön in den Südwesten!

Das Album „Future, Exhale“ von No Sugar, No Cream erscheint am 08.06.2024 zum Release-Konzert der Band im Karlsruher Tollhaus via Eigenvertrieb. Es ist auch über die Band-Website www.nosugarnocream.de erhältlich. (Beitragsbild: Pressefoto)

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