Nicolas Sturm: Angst Angst Overkill – Album Review

Mit Angst Angst Overkill veröffentlicht Nicolas Sturm eins der besten Alben des Jahres

von Gérard Otremba

Bisher zeigte sich Nicolas Sturm bei seinen Veröffentlichungen in der klassischen Songwriter-Rolle der Marke Gisbert zu Knyphausen und Nils Koppruch. Gesang, Gitarre, Schlagzeug, viel mehr benötigte der in Berlin lebende Musiker nicht, um seine poetischen und markanten deutschen Texte musikalisch kongenial in Szene zu setzen. Minimalistisch zwischen Folk, Garagenrock und Country-Roll changierend. Dies zeichnete Nicolas Sturm sowohl bei Doppelleben (Omaha Records), als auch beim vor vier Jahren bei PIAS erschienenen selbstbetitelten letzten Album aus. Für sein neues, seit wenigen Tagen im Handel befindliches Album Angst Angst Overkill öffnet sich Sturm dem Pop und das tut seiner Musik richtig gut, obwohl der ursprünglich eingeschlagene Weg bereits ein sehr guter war.

Auf Angst Angst Overkill (ein Plattentitel, der bereits vor einem Jahr feststand und mittlerweile ins zeitliche Mark trifft) liegen die musikalischen Wurzeln im englischen Gitarren-Pop der 80er, im New Wave, Post-Punk und Brit-Pop der 90er. Die Gitarren-Nadelstiche sitzen schon im titelgebenden Eröffnungsstück „Angst Angst Overkill“, breite Synthieflächen verstärken den melancholisch-geheimnisvollen Charakter des Songs. Sturm arbeitet auch textlich wunderbar mit diffusen Ängsten, ein Opener, der für Gänsehaut sorgt. Eine Spur ruhiger, impressionistischer und verträumter erklingt „Lichtjahre“, Jingle-Jangle-Gitarren und schwebende Keyboardsounds fangen die melancholische Atmosphäre ein. Der perfekte Gitarren-Pop-Song gelingt Nicolas Sturm mit „Das Ende“, eine geniale Quintessenz aus The Smiths, The Go-Betweens und Pulp. „Hier und jetzt beginnt die Zukunft“, singt Sturm darin. Seine Zukunft als Songwriter hat spätestens mit diesem Song und dem Album Angst Angst Overkill begonnen, hier schreit geradezu alles nach Durchbruch.

Nicht minder eindrucksvoll die aktuelle Single „Im Land der Frühaufsteher“, eine nachdenkliche, schonungslose und grandiose Abrechnung mit der deutschen Befindlichkeit, verpackt in einen perlenden Gitarren-Twang. Auch auf diesen Song  sollte Jarvis Cocker mächtig neidisch sein. In die frühen, guten Jahre von The Strokes wagt sich Nicolas Sturm mit „Das Leben, das du führst“, also mehr Rock’n’Roll, mehr Iggy Pop. Der New-Dark-Wave von The Cure liegt „Tanzen auf Ruinen“ zugrunde, in „Alaska“ jubilieren die Gitarren und Synthies wieder wie in den frühen 80ern, während „Ich will alles (was ich sage auch so meinen)“ auf herrlichste Art dem New Romantic-Style verfällt. Das atemlose „Nach der Revolte“ galoppiert mutig vorwärts und wird von Sturms sehnsüchtiger Stimme konterkariert. Am Ende hilft nur die Liebe, das weiß auch Nicolas Sturm im Abschlusstrack „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“ zu berichten. Angst Angst Overkill von Nicolas Sturm ist ein Meilenstein der deutschsprachigen Rock-Pop-Geschichte und mithin eins der besten Alben des Jahres 2016.

„Angst Angst Overkill“ von Nicolas Sturm ist am 21.10.2016 bei Staatsakt / Caroline International erschienen.

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