Der australische Songpoet verzaubert das Publikum in der Stuttgarter Liederhalle
von Gérard Otremba
So ganz allein ist Nick Cave auf seine Solo-Tour dann doch nicht aufgetreten. Eine abgespeckte Version der Bad Seeds begleitet den australischen Songwriter durch die 21 Songs am 07.05.2015 im Beethovensaal der Stuttgarter Liederhalle. Warren Ellis an Gitarre und Geige, Drummer Thomas Wydler, Bassist Martyn Casey und Keyboarder Barry Adamson stehen Nick Cave bravourös zur Seite. Den reduzierten Sound seiner letzten Platte Push The Sky Away transportiert das Quartett gemeinsam mit zumeist am Piano sitzenden Cave perfekt auf viele alte Klassiker, die Nick Cave seinen begeisternden Fans offenbart. Mit dem höchst dramatischen „Water’s Edge“ beginnt das Konzert, mit dem geheimnisvollen, traumhaft schönen „Push The Sky Away“ hört es nach zwei Stunden und fünfzehn Minuten auf.
Bei nur drei Songs begleitet sich Nick Cave allein am Piano, „The Ship Song“ wirkt hier wesentlich emotionaler als „The Weeping Song“, „The Mercy Seat“ funktioniert immer, ob in der ausgelassenen Bandversion auf der letzten Bad Seeds-Tour in der Hamburger Sporthalle, oder eben in der hingebungsvollen Pianoversion. Bei den Balladen „Love Letter“ und „Into My Arms“ ist Martyn Casey am Bass gefühlvoll involviert. Das geniale Album The Boatman‘s Call erfährt auf dieser Tour neue, verdienstvolle Weihen, neben „Into My Arms“ spielt Cave noch das anmutige „Brompton Oratory“ sowie die sonst selten live zu hörenden „West Country Girl“ und „Black Hair“ (mit Warren Ellis am Akkordeon) und im Zugabenteil das überragende „People Ain’t No Good“. Immer wieder lässt Nick Cave seine vier Musketiere von der Leine und so schmettert Warren Ellis in „Mermaids“ ein gewaltiges Gitarrensolo in den Saal und bei „Tupelo“ erzittern die Wände der Liederhalle, ob der gebotenen Brutalität.
Ähnlich offensiv geht das Quintett die Avantgarde-Underground-Rock-Stücke „From Her To Eternity“, „Jack The Ripper“ und „Up Jumped The Devil“ an. Beim „Higgs Boson Blues“ tigert Cave vor den Fans, denn bereits nach dem dritten Song „Red Right Hand“ fallen die Konventionen und nach einer Geste des Meisters verlassen die Fans ihre Sitzplätze und strömen nach vorn, von einigen als Messias angepriesen. Als Erweckungserlebnisse eignen sich Nick Cave-Konzerte natürlich ähnlich gut wie die von Bruce Springsteen. Und sollte es in Stuttgart nicht weit gekommen sein, dann entlocken rauschhafte Interpretationen von „Jubilee Street“ und „We No Who U R“ mindestens ein zufriedenes Lächeln auf die Gesichter der Fans, in der Gewissheit, Zeuge eines mal wieder betörenden Nick Cave-Auftritts geworden zu sein.