Nástio Mosquito: 0 – Album Review

Nástio Mosquito 0 Albumcover

Was für ein Trip: Der Multimedia-Künstler Nástio Mosquito veröffentlicht mit „0“ den letzten Teil seiner Album-Trilogie. Darauf vermischt er Jazz mit World Music und übergibt der Musik die Sprache

von Sebastian Meißner

2015 erhielt Nástio Mosquito den International Future Generation Art Prize. Der Portugiese mit angolanischen Wurzeln galt schon damals als Fenster in die Zukunft. Als jemand, der die Themen und Mittel der Stunde anpackt. Mosquito, Jahrgang 1981 und somit „Kind des kalten Krieges“, kennt die Widersprüchlichkeiten des Alltags und beobachtet mögliche Entwicklungen. In seinen Arbeiten beschäftigt er sich unter anderem mit der Frage nach dem kulturellen Erbe. Er durchbricht die traditionellen Codes der Nachrichtenübermittlung und er macht sich über globale kapitalistische Sprachschöpfungen ebenso lustig wie über die müden marxistischen Mantras der Ausgebeuteten. Er verachtet das hochgestochene Vokabular der Kunstwelt ebenso wie das Dogma postkolonialer Korrektheiten. All das verarbeitet er in Musik, Klang- und Video-Elementen, Performance und Installationen, die er in der Tate Modern in London, im Museum of Modern Art in New York oder auf der Biennale in Venedig gezeigt hat.

Leinwand für das Wort

Nástio Mosquito 0 Albumcover

Vor gut elf Jahren veröffentlichte Nástio Mosquito sein erstes von drei Musik-Alben. „0“ ist nun der letzte Teil dieser Trilogie. Stilistisch verortet Mosquito seine Musik zwischen Jazz, HipHop und World Music, wobei auch seine angolanischen Wurzeln eine Rolle spielen. Der Sound ist eher getragen und setzt stärker auf Atmosphäre. Er begreift sich zunächst als Leinwand für die Spoken Words-Einlagen Moskitos, bevor sich das Machtverhältnis von Sprache und Musik später umkehrt. Und dennoch enthält die Musik auf „0“ auch Elemente des so lebhaften angolanischen Kuduru sowie des improvisatorisch orientierten amerikanischen Jazz. Sie ist vital, perkussiv, tanzbar und auf eine fesselnde Weise intuitiv und ursprünglich.

Sechs große Gesten

Die sechs Stücke tragen je den Titel „Gesture“ und sind durchnummeriert. Letztlich sind sie kaum voneinander zu trennen. Alles hier fließt ineinander, überlappt sich, morpht sich aus der einen Form in die nächste. Fluide die Musik, fluide die Gedanken. Die sechs Gesten sind durchaus große. „Gesture II“ zum Beispiel zeigt Parallelen zum überweltlichen Klangkosmos eines Kamasi Washington. „Gesture III“ hätte so auch auf ein Album von Flying Lotus gepasst. Und „Gesture VI“ schielt auf die junge Londoner Jazz-Szene.

Nástio Mosquito verschiebt Grenzen

Nástio Mosquito gelingt mit diesem Album die Übersetzung von Sprache in Musik. Da, wo Vokabeln an ihre Grenzen stoßen, übergibt Mosquito den Staffelstab und transzendiert Anklagen, Parolen, Provokationen und Hilfeschreie in Sounds, die es zuvor noch nicht gegeben hat. Keine Frage: „0“ ist eine fordernde Platte. Eine, die weit außerhalb der gängigen Hörgewohnheiten angesiedelt ist. Aber nur da ist Platz für die Botschaften von Nástio Mosquito. Nur da können sie ihre Wirkung und ungeheure Kraft entfalten. Und so ist „0“ eben auch eine großartige Platte, die Grenzen verschiebt, ins Risiko geht, wachrüttelt und beschenkt.

„0“ von Nástio Mosquito erscheint am 25.05.2024 als Gatefold Vinyl Edition auf Eight To Infinity. (Beitragsbild: Albumcover)

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