Nadah El Shazly: Laini Tani

Nadah El Shazly credit Hamza Abouelouafaa

Nadah El Shazly pfeift auf Schubladen und macht Klang zur Geheimwaffe: Ihr Gesang schlängelt sich durch ein Labyrinth aus Tönen. Wer hier klare Linien sucht, wird charmant in die Irre geführt – und das ist genau der Trick.

von Mia Lada-Klein

Achtung, das ist kein Album, das sich nebenbei weghören lässt. Mit „Laini Tani“ liefert Nadah El Shazly den Nachfolger ihres gefeierten Debüts „Ahwar“ (2017) – und bleibt sich dabei treu: experimentell, radikal anders, voller Kontraste und kultureller Tiefenschärfe. Die ägyptische Künstlerin vereint abermals elektronische Spielereien, arabische Improvisation, Avantgarde-Vokaltechnik und ein Gespür für Atmosphäre, das seinesgleichen sucht.

Nadah El Shazly: Märchen trifft Dissonanz

Nadah El Shazly Laini Tani Albumcover

Schon der Opener „Elnadaha“ wirkt wie ein Soundtrack zu einem surrealen Märchen. Verträumt, verwunschen, aber auch irritierend. Nadah El Shazly lässt Melodien aufblitzen, nur um sie im nächsten Moment wieder in Unwirklichkeit aufzulösen. Das ist nicht einfach nur Musik, das ist Klangkunst.

„Kaabi Aali“ folgt diesem Kurs, doch hier darf die Stimme mehr Raum einnehmen – getragen von elektronischen Elementen, die leuchten wie Neonreklamen auf nächtlichen Straßen. Perfekt für Autofahrten durch Städte, in denen man sich selbst verliert. Songs wie „Banit“ oder „Eid“ setzen diesen Trip fort: verspielte Harfenklänge, zwischendurch ein perkussives Flimmern, dann wieder völlige Stille. Alles scheint organisch gewachsen – aber eben aus einer anderen Welt.

Nadah El Shazly und ihr Album voller Gegensätze

„Laini Tani“ lebt von Kontrasten. Zwischen Mystik und Stille, zwischen Zugänglichkeit und radikalem Bruch. Wer Ordnung und Struktur sucht, wird schnell an seine Grenzen stoßen – aber genau das scheint beabsichtigt. „Enti Fi Neama“ ist ein Paradebeispiel: vier Minuten Dissonanz, bedrohlich, düster, fast schon unheimlich. Und dennoch: man hört hin. Man will hören. Warum? Weil es so ungewöhnlich ist wie ein Instagram-Feed ohne Selbstdarstellung.

Zwischen Pop, Elektro und Kontrollverlust

„Dafaa Robaai“ wirkt dagegen fast zahm: orientalische Muster, zurückhaltende Elektronik, wenig Gesang. Auch der Titeltrack „Laini Tani“ bleibt eigenwillig – eine bizarre Mischung aus Licht und Schatten, klaren Linien und chaotischem Aufbruch. Verständlich ist das nicht immer. Faszinierend? Absolut.

Erst der abschließende Track „Ghorzetein“ bringt so etwas wie cineastische Eingängigkeit zurück. Ein würdiger Abschluss – und gleichzeitig ein letztes Ausrufezeichen, dass hier keine Kompromisse gemacht werden.

Kein Album für alle – aber eines, das fasziniert Wer mit Musik nur Unterhaltung verbindet, wird an „Laini Tani“ wenig Freude haben. Wer aber Klänge liebt, die fordern, verführen und verstören, findet in Nadah El Shazly eine Künstlerin, die jenseits aller Konventionen agiert. Dieses Album will nicht gefallen. Es will gehört werden – mit offenem Kopf und gespitzten Ohren.

Nadah El Shazly veröffentlicht „Laini Tani“ am 06.06.2025 über One Little Independent / Bertus. (Beitragsbild von Hamza Abouelouafaa)

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