My Morning Jacket: My Morning Jacket

My Morning Jacket by Austin Nelson

Elf ganz vortreffliche Songs auf dem neuen Album von My Morning Jacket

Sechs Jahre nach ihrem letzten, regulären Studioalbum „Waterfall“ sowie einer im vergangenen Jahr erschienen Resteverwertung namens „Waterfall II“ veröffentlicht die 1998 als Alt-Country-Band gestartete Gruppe aus Louisville, Kentucky mit einem selbstbetitelten Werk an diesem Freitag eine Handvoll „neuer“ Stücke, die sie gegenwärtig unter 3G-Bedingungen live auf den Bühnen der USA vorstellt. Ganz frisch sind diese elf Songs jedoch nicht – wurden sie doch fertiggestellt, kurz bevor auch in den heimischen Staaten im März 2020 der Lockdown ausgerufen wurde. Ohne die Möglichkeit, diese live vorzustellen wollte das Quintett um Sänger, Songwriter, Gitarrist und in diesem Fall ebenso Produzent Jim James sie nicht veröffentlichen.

My Morning Jacket haben sich eine eigene Nische erobert

My Morning Jacket Cover ATO Records

Für uns Hörende sind sie es allerdings, nicht nur im Sinne von „neu“, sondern ebenso in allen anderen denkbaren Synonymen: unverbraucht etwa oder sogar innovativ, in gewisser Weise. Durch ihre klassische Besetzung einer Heartland-Rock’n’Roll-Band mit Gitarre, Bass, Drums, Keys sowie Saxophon und der Hinzunahme von u.a. Pedal Steel-Gitarre kratzt die Kombo seit Jahren an den Rändern von Folkrock, Alternative, Jam- oder Indierock und hat sich damit eine ganz eigene Nische erobert, die sie von gitarrendominierten Formationen mit „Retro-Touch“ erfreulich abgrenzt. Leichte Schwenker in die Bereiche Jazz, Country, Psychedelic oder Soul sind ebenfalls hörbar. Eine klassische amerikanische Live-Band, die auf ihren Events locker drei Stunden Spielzeit überschreitet und in unseren Breiten viel zu wenig gehört, gesehen oder gewürdigt wird.

Elf Kleinode

Welch ein Verlust dies für uns Europäer ist, verdeutlicht das Gros der elf auf diesem Tonträger versammelten Kleinode ganz vortrefflich, bei dem nach Meinung dieses Rezensenten vor allem „In Color“ (herzerweichende Vocals wie sehnsuchtsvolle Slide-Gitarre treffen auf 70er-Orgel und exaltierte Gitarreneskapaden mit Doom-Metal-Touch), das lässig groovende „Least Expected“ oder das neunminütige „The Devil’s In The Details“ beeindrucken, bei dem eine melancholische Spannung aufgebaut und lyrisch eine Szene aus „Stranger Things“ aufgegriffen wird, um über Verantwortung sowie Schuld zu sinnieren.

Rockmusik ohne Scheuklappen

Selbst Stücke, die den persönlichen Vorlieben erst einmal weniger entsprechen trumpfen im weiteren Verlauf mit Entwicklungen auf, denen man sich unmöglich komplett verschließen kann – so z.B. „Love Love Love“, das rhythmisch an Radiorock der 80er gemahnt, bevor die Gitarre zu den Psychedelikern der Dekade vorher springt. Oder „Lucky To Be Alive“, welches in seiner rhythmischen Simplizität und seiner satirischen Karnevalsorgel fast schon ärgert, bevor auch hier die Klampfenschlacht beginnt. All das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass „My Morning Jacket“ ein Album ist, das spätestens nach dem dritten Hörgang komplett „durchgeliked“ sein wird, wenn man es streamt, oder sofort wieder in den Player oder auf den Plattenteller wandert, wenn man ein Faible hat für klassische Rockmusik ohne Scheuklappen, die alles andere als gestrig ist. Eine Live-Präsentation in unseren Breiten wäre jetzt noch ganz schön.

„My Morning Jacket“ von My Morning Jacket erscheint am 22.10.2021 bei ATO Records / PIAS. (Beitragsbild von Austin Nelson)

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