Musa Dagh: Musa Dagh – Albumreview

Musa Dagh Credit Christoph Eisenmenger

Musa Dagh – eine neue Band mit bekannten Gesichtern

Die umtriebigen Gitarrenrockveteranen Aren Emirze (Harmful, Emirsian, Taskete!) und Aydo Abay (Blackmail, KEN, Abay), die vor allem in den 90er bis 00er Jahren diverse Highlights des Indie-Rock zu verantworten hatten, haben endlich ein Studio zusammen geentert. Geplant war das schon lange. Komplettiert werden sollte diese Begegnung mit dem Produzenten Moses Schneider (Turbostaat, Beatsteaks, Kreator) sowie einem Drummer aus New York – abgemischt in den Staaten schließlich von Dave Sardy (er tat dies in der Vergangenheit bereits bei Harmful). Schneider blieb im Boot. Der Rest haute nicht hin, weswegen Thomas Götz von den Beatsteaks fürs Schlagzeug einsprang und mit seinem Proberaum gleich noch das Studio stellte. Geschadet hat diese Planänderung nicht, wie man an den zehn Stücken des selbstbetitelten Debüts hören kann. 

Alles geht, wenn man will, Musa Dagh wollen

Musa Dagh Cover Hayk Records

„Coin Bank“ eröffnet das Werk treibend wie hektisch mit Stakkatoriffs, die von der Leichtigkeit und Melodie der Stimme Abays kontrastiert werden. „Superhuman Gift Shop“ danach setzt noch einen drauf: Dass Musa Dagh alles Kinder der Neunziger sind wird bei diesem Stück besonders deutlich, das weniger an die Noise-Vergangenheit Emirzes bei Harmful erinnert, sondern eher an Alternative-Sound-Solitäre wie z.B. Jane’s Addiction oder an die Großen des College-Rock. Das ist ja das schöne Überbleibsel aus der Zeit des Crossover: dass in der Rockmusik alles geht, wenn man will. Musa Dagh wollen das und machen fast schon genrefreie Rockmusik, die sich aus allem speist, was diese Zeit ausmachte und diese Einflüsse so originär zusammenrührt, dass keine Schublade mehr passt.

Weitere Beispiele: „Plural Me“, ein poppiges Päuschen nach dem klirrenden Gitarrenmassaker am Ende von „Halo“. Ein netter Indie-Song mit leichtem Wave-Bass, Abay singt schwelgerisch „Take me back to 1994“. Oder: „I’m Fine Thanks“. Abay sprechsingt darin so heftig, dass der Vortrag schon an Rap grenzt und packt zwischendurch breitbeinig die Hardrocksau aus, während Emirze sowie Götz den solide treibenden Hintergrund zimmern.

Oder: „Less Morphine“ Götz scheppert rhythmisch verspielt als wären da drei Drummer gleichzeitig am Werke und füttert damit die abgehobene Süße im Vortrag Abays – schön trippy, mit Nähe zum Space-Rock – „Innerspace-Rock“, am End‘.

Ska-Riffs begegnen uns bei „Life Fucked Balance“, Keyboardklänge umgarnen die Riffs bei „Kool Aid“ – alles sehr fein wie abwechslungsreich und somit spannend über die gesamte LP-Länge.

Der Knaller beschließt jedoch das Album mit „Musa Dagh“: Industrial-Rumms plus dramatische Streicher bilden hier den Score eines kleinen Filmes, den man sich vor seinem geistigen Auge selber basteln mag, falls man das Video dazu noch nicht kennt.

Zum Schluss noch ein Statement

Der Titelsong, ein schwerer Monolith wie der Berg gleichen Namens im Süden der Türkei – instrumental, weil auch ohne Lyriks ein Statement gesetzt wird, wenn Nachkommen von Türken sowie Armeniern gemeinsam unter diesem Namen agieren, mit viereinhalb Minuten das längste Stück. Der Rest des Albums ist knackig kurz mit maximal vier Minuten pro Song und schreit somit fast nach Radioeinsatz. Musa Dagh schaffen mit ihrer Zusammenstellung auf diesem Album fast durchweg das Kunststück, gut Hörbares erschaffen zu haben, das komplett ohne berechnenden Kommerz auskommt, sondern im Gegenteil sogar instrumentale Raffinessen bietet, die man im poppigeren Rock häufig vermisst. Feine Sache.

„Musa Dagh“ von Musa Dagh erscheint am 26.11.2021 bei Hayk Records / Cargo Records. (Beitragsbild von Christoph Eisenmenger)

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