Mt. Desolation: Through Crooked Aim

Mt. Desolation credit Jon Stone

Wenn die Hauptband Pause macht, gibt’s mehr Zeit für ein Nebenprojekt. Nach diesem pragmatischen Motto haben Tim Rice-Oxley und Jesse Quin von Keane ein schönes Album mit Mt. Desolation gemacht.

von Werner Herpell

Als Mitglieder von Keane hatten Tim Rice-Oxley und Jesse Quin zuletzt mehr Zeit für andere Projeke als gewohnt. Denn die britische Pianopop-Band veröffentlichte nach drei schnell aufeinander folgenden, erfolgreichen Alben in den Nullerjahren nur noch zwei weitere Platten, die bisher letzte „Cause And Effect“ stammt von 2019. Gute Gelegenheit also, ein zweites Projekt an den Start und zum Blühen zu bringen. Rice-Oxley und Quin haben dies mit Mt. Desolation geschafft, deren drittes Werk „Through Crooked Aim“ nach den Veröffentlichungen von

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2010 und 2018 eindeutig ihr bestes ist.

Inspiriert von Sixties-Pop und Folk

Mt. Desolation Through Crooked Aim Cover No Roads Records

Zwar steht – nach dem erhabenen, gegen Ende gospeligen Opener und Titelstück – mit „Too Hard A Stone“ ein arg leichtgewichtiges Stück ziemlich am Anfang der Platte, es erinnert leider an schwächere Elton-John-Songs. Doch der gute Eindruck wird zum Glück nicht nachhaltig getrübt. Denn schon „Dream Within A Dream“ ist wieder ein an den Sixties-Pop von Lee Hazlewood oder Harry Nilsson angelehntes Lied voller Zauber und Charme – es zeigt zugleich, warum Mt. Desolation vom kundigen Online-Magazin Allmusic als „country-inspired side project“ beschrieben werden.

Die Ballade „If  I Knew“ und das von Co-Sängerin Jessica Staveley-Taylor geprägte, folkige „Roadside Bar“ sind weit entfernt vom Bombast und Pathos, der an Keane (und ihrem Frontmann Tom Chaplin) ja manchmal nervte. Tief berührend klingen später auch das zarte „All Well I Trust“ und der mächtige, prächtige Closer „Sunrise“, der tatsächlich die angestrebte Nähe zu den schottischen Chef-Melancholikern The Blue Nile erreicht. Hier setzt sich Mt. Desolation-Songwriter Rice-Oxley, der auch bei Keane die meisten Kompositionen verantwortet, erneut deutlich von seiner Hauptband ab.

Mt. Desolation machen ganz eigenes Ding

Um den Nukleus des Duo-Projekts gruppiert sich eine Reihe toller Musiker, darunter überraschenderweise auch Saxofonist Jake Clemons, der seit vielen Jahren Mitglied von Bruce Springsteens E Street Band ist (und gerade bei deren USA-Tournee mit seinem gewaltigen Getröte die Stadionluft anzündet). „Through Crooked Aim“ ist auf dem kleinen Label No Roads Records von Sänger/Keyboarder Rice-Oxley und Gitarrist/Bassist Quin erschienen – die beiden machen hier also komplett ihr eigenes Ding.

Das Ergebnis zieht den Hörer mit cineastischen Arrangements und herrlichen Melodien in Bann. Dafür haben sich seine Macher im Studio in der Landschaft von Suffolk viel Zeit gelassen (konnten sie ja auch, da, wie erwähnt, von Keane-Seite kein Druck aufkam). Richtig schöne Platte.

„Through Crooked Aim“ von Mt. Desolation erscheint am 21.04.2023 bei No Roads Records/Cargo Records.(Beitragsbild von Jon Stone)

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