Mit seinem dritten Soloalbum „Your Arsenal“ befand sich Morrissey 1992 auf einem kreativen Höhenflug
von Gérard Otremba
Sie hielten es nur fünf Jahre zusammen aus, prägten aber den Gitarren-Pop-Rock wie kaum eine andere Band. Sänger und Texter Morrissey und sein Gitarrist Johnny Marr rauften sich zwischen 1982-87 mit ihrer Band The Smiths zu vier geschliffenen Langspielplatten und unzähligen Singles zusammen, bevor Marr die Band verließ und eine Lücke riss, die durch keinen anderen Gitarristen gestopft werden konnte. Sie waren die ersten Indie-Heroen und alle vier Smiths-Alben (The Smiths, Meat Is Murder, The Queen Is Dead und Strangeways, Here We Come) erreichten besonders in England Kultstatus und verhalfen so vielen Teenagern durch ihre deprimierende 80er- Jahre-Jugend. Der 1959 in Manchester geborene Steven Patrick Morrissey wuchs zur Stilikone aller Außenseiter, die in einer anderen Welt lebten, als Margaret Thatcher und die englische Königsfamilie.
Morrisseys Texte und Kommentare waren oft ironisch bis zynisch, blieben jedoch häufig auch nebulös und verschwommen in ihrer Aussage. Sein expressiver Gesangsstil, manchmal bis an die Grenzen der Larmoyanz, gepaart mit Marrs melodiös-harmonischem Gitarrenspiel und der intakten Rhythmusgruppe (Andy Rourke am Bass und Mike Joyce am Schlagzeug) erreichte in England genügen Hörer, um mit Meat Is Murder auf Platz eins der UK-Album-Charts zu stürmen, die anderen Longplayer schafften es alle immerhin noch auf Platz zwei.
Morrissey Weg vom Indie-Liebling zum Popstar
1988 stellte Morrissey mit Viva Hate sein erstes Solowerk vor, nutzte die Gunst der Stunde, erklomm die Spitzenposition der britischen Charts und hinterließ mit „Every Day Is Like Sunday“ einen prächtigen Ohrwurm. Einen ähnlich prägnanten Hit findet man auf Morrisseys dritten Studioalbum nicht auf Anhieb, doch überzeugt „Your Arsenal“ auch nach 20 Jahren durch eine stilistische Kreativität und zehn guten Songs. Morrissey lässt es gleich zu Beginn mit „You’re Gonna Need Someone On Your Side“ und „Glamorous Glue“ ordentlich krachen. Brachiale, kreisende Shoegazing-Gitarren, ein pumpender Bass, stampfende, treibende Drums, Morrissey frönt hier dem Rock’n‘Roll und das klingt, als wäre der Leibhaftige hinter ihm her.
In „We’ll Let You Know“ exerziert Morrissey seinen romantisch-melancholischen, selbstvergessenen Gesang, der Song kippt zum Ende von akustischen Folk-Pop in dämonische Tiefen. „The National Disco Front“, die Abrechnung mit den britischen Rechtsradikalen, gerät zum fluffigen Gitarren-Rock-Pop, wie man ihn vorn den Smiths kannte, während „Certain People I Know“ textlich an Marc Bolan, einer von Morrisseys Vorbildern, gemahnt. Morrisseys „Your Arsenal“ wird in der Remastered-Version nicht nur als CD, sondern auch als Platte wiederveröffentlicht und auf Seite zwei zeigt sich der Künstler von seiner sensiblen Seite, die Songs geraten leiser und intimer. Immer noch mit viel Drive, aber von einer verspielt-verträumten Gitarre dominiert, wartet „We Hate It When Our Friends Become Successful“ auf.
Herrlich melodieverliebt dann „You’re The One For Me, Fatty“ und sehnsüchtig, gar schwermütig das anschließende, wunderbare „Seasick, Yet Still Docked“. Die Grenze der Larmoyanz erreicht Morrissey bei „I Know It’s Gonna Happen Someday“ und schönster Smiths-Gitarren-Pop von „Tomorrow“ beschließt „Your Arsenal“, ein herausragendes Album aus Morrisseys Solokarriere, das auch den Markt in den USA öffnete und Morrissey vom Indie-Liebling zum Popstar machte. Typisch für die Exzentrik des Steven Patrick Morrissey war die Weigerung, in seiner frühen Solo-Karriere Smith-Songs bei seinen Auftritten zu spielen, wie man sich beim Konzertmittschnitt vom 31. Oktober 1991 im Shoreline Amphitheatre in Mountain View, Kalifornien, auf der beiliegenden DVD überzeugen kann. Dort begleiten ihn Boz Boorer und Alain Whyte an den Gitarren, Gary Day am Bass sowie Spencer Cobrin an den Drums, alle auch am großartigen Morrissey-Album „Your Arsenal“ beteiligt.
„Your Arsenal“ – Remastered Album von Morrissey ist am 21.02.2014 als LP, CD/DVD bei Parlophone / Warner Music erschienen.
Einfach eine musikalische Ikone meiner späten Jugend… Eigentlich bis heute… Aber nicht nur er, sondern The Smiths im Allgemeinen… 😉
Grüße,
miret
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