Moby: Reprise – Albumreview

Moby by Travis Schneider

Oh Lordy, Lord, trouble so hard: Die größten Moby-Hits als Orchestermusik

Die große Erfolgsgeschichte von Richard Melville Hall alias „Moby“ begann schon in den frühen neunziger Jahren. Ein ziemlich normal aussehender Typ mit Glatze und schwarzer Brille, aufgewachsen in Connecticut, avancierte zum großen Star der elektronischen Pop-Musik. Moby nannte sich nach der Romanfigur „Moby Dick“ seines Ur-Ur-Großonkels Herman Melville. Und schon zu Zeiten von „Everything Is Wrong“, dem Album von 1995, flirtete er mit so ziemlich jedem angesagten Musikstil der Zeit. Ließ Punk-Riffs in 4-to-the-Floor-Rave-Rhytmen krachen, als gäbe es kein Morgen.

Moby erfand sich immer wieder neu

1999 erschien dann „Play“, das vielleicht beste Album von Moby, das sich weltweit sieben Millionen Mal verkaufte. Auch hier zitiert Moby ganz selbstverständlich Vergangenes: Aus ethnographischen Aufnahmen alter Gospelgesänge, aus Klageliedern bastelte sich der 1965 in Harlem geborene Musiker seinen schicken Elektro-Future-Blues. Auch in den Jahren danach erfand sich Moby immer wieder neu: Als Musiker, aber auch als Kämpfer für Tierrechte und als Geschäftsmann mit einer Naturkostladenkette und Restaurants. Nun erscheint das sechzehnte Album Mobys, das den Titel „Reprise“ trägt und bei dem Klassik-Label „Deutsche Grammophon“ erscheint. „Reprise“ ist eine Rückschau auf das Gesamtwerk und versammelt Neuinterpretationen der großen Moby-Hits wie „Natural Blues“, „Go“, „Extreme Ways“, „Porcelain“ oder „Why Does My Heart Feel So Bad“.

Moby und das Budapest Art Orchestra

Moby Reprise Cover Deutsche Grammophon

Das Besondere: Die Stücke wurden von Moby für Orchester und akustische Instrumente neu arrangiert und mit dem Budapest Art Orchestra eingespielt. Große Musiker wie Gregory Porter, Kris Kristofferson oder Mark Lanegan haben Gastauftritte auf dem Album. Songs wie „Porcelain“ mit Gastsänger Jim James von My Morning Jacket funktionieren in der akustischen Orchestervariante gut – erstaunlich nah bleibt der emotionale Ausdruck der Musik.

„Ich sehne mich nach der Einfachheit und Verletzlichkeit, die man mit akustischer oder klassischer Musik erreichen kann“, sagt Moby, dessen Weg vom Underground-Punk zum Elektro-Charts-Stürmer auch in einem Dokumentarfilm betrachtet werden kann, der bald erscheinen wird. Wo liegt der Sinn der Musik? Fragt sich Moby, um mit seinem neuen Album eine ganz eigene Antwort zu geben. Empfindsamkeit findet der New Yorker heute selten in der aktuellen Popmusik. „Bringt  man  akustische  und  klassische  Instrumente  ins  Spiel,  erhöht  sich  die Möglichkeit zu einem unmittelbaren, sensiblen Austausch“, sagt er.

Bei „Natural Blues“ mit gesanglicher Unterstützung von Gregory Porter und Amythyst Kiah gelingt es phantastisch: „Oh Lordy, Lord, trouble so hard. Oh Lordy, Lord, trouble so hard. Don’t nobody know my troubles but God. Don’t nobody know my troubles but God”.  Aus dem Elektro-Gospel ist ein atemberaubendes, großes, von Geigen getragenes Orchesterstück geworden.

David Bowies „Heroes“

Etwas Besonderes ist auch „Extreme  Ways“: Die neue Fassung ist deutlich getragener als das Original und scheint mehr vom Künstler selbst, von seinem Inneren zu erzählen. Doch niemals gerät das Original ganz aus dem Blickfeld Mobys. Immer sind die Vorlagen erkennbar. Ein weiterer Höhepunkt des Albums ist „The  Lonely  Night“, mit  Kris  Kristofferson  und  Mark  Lanegan, das die ursprünglich nur mit Lanegan eingespielte Version aus dem Jahr 2013 deutlich hinter sich lässt. Auch ein Coverstück gibt es auf dem Album, nämlich „Heroes“ von David Bowie, gesungen von Mindy Jones. Oft hat Moby „Heroes“ als den wichtigsten Song der Popmusik beschrieben – und ihn einmal sogar mit Bowie selbst zusammen gespielt, der sein Nachbar in New York war. „Reprise“ ist auch ein schönes Beispiel dafür, welchen Weg Musik gehen kann. „Meine Musik ist auf eine klösterliche, strenge Art entstanden“, erinnert sich Moby. Nun zeigt sie sich von ihrer ganz anderen Seite.

„Reprise“ von Moby erscheint am 28.05.2021 bei Deutsche Grammophon. (Beitragsbild von Travis Schneider)

Erhältlich bei unserem Partner:

Unterstützen Sie Sounds & Books

Auch hinter einem Online-Magazin steckt journalistische Arbeit. Diese bieten wir bei Sounds & Books nach wie vor kostenfrei an.
Um den Zustand zukünftig ebenfalls gewährleisten zu können, bitten wir unsere Leserinnen und Leser um finanzielle Unterstützung.

Wenn Sie unsere Artikel gerne lesen, würden wir uns über einen regelmäßigen Beitrag sehr freuen.

Spenden Sie direkt über PayPal oder via Überweisung.

Herzlichen Dank!

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Kommentar schreiben