Trauma, Angst und Hoffnung sind die Zutaten des zweiten Album des Hamburger Indie-Pop-Musikers Michèl von Wussow
von Tessa Weitemeier
Bereits das Intro scheint den Klang des Albums vorzugeben und zu zeigen, in welche Richtung es gehen wird. Es wird ein Album über Trauma und Angst, vor allem aber über Hoffnung. Der Titeltrack „Traum B“ wird einem, begleitet von einer rotzigen Gitarre und Michèl von Wussows ebenso rotzigen Stimme, entgegengeschleudert. Bereits auf seinem Debütalbum „Angst gegen Vertrauen“, war Michèl von Wussow nicht davor zurückgeschreckt, die tiefen, emotionalen und persönlichen Themen anzusprechen. Dass er diese Themen auf „Traum B“ vielleicht sogar noch mutiger und klarer benennt und anspricht, wird nach den ersten Liedern sofort klar.
Eine ganze Generation mit Mitte 20 im Arsch
Auf „Alles geht vorbei“, spricht er zum Beispiel darüber, dass es sein kann, dass manche Verletzungen nie ganz verheilen, die Narben, die bleiben, dennoch nur ein kleiner Teil von ihm sein werden. Dass er bereit ist über sein Innerstes zu sprechen, zeigt er abermals auf „Wieder nicht genug“, das sich perfekt in das von Schlagzeug und E-Gitarre getriebene Klangbild des Albums einfügt.
Michèl von Wussow beschreibt seine Musik auf Social Media selbst als „Indie-Pop mit viel Gitarre“ und viel treffender kann man es wohl kaum beschreiben. Melodische Gitarrenklänge und hier und da eine Menge Pop-Mainstream-Tricks verschaffen ihm einen Sound, der Wiedererkennungswert hat. Die fast vollständig fehlende Variation im Aufbau und Klangteppich der Songs bedeutet hier keinesfalls Langeweile, allerdings eine gewisse Vorhersehbarkeit. Auf dem zu Beginn melancholischen und später wütend werdendem „Mitte 20 im Arsch“ ergreift von Wussow die Stimme der jungen Generation und schreit die Gedanken vieler Menschen, die sich um den Klimawandel und Altersarmut sorgen frei und ohne Blatt vor dem Mund heraus.
Michèl von Wussow auf einer neuen Entwicklungsstufe
Auch auf dem letzten Drittel des Albums dreht es sich um die zentralen Themen des Albums, so auch auf dem langsameren „Angst ist nur ne Illusion“, das sowohl inhaltlich als auch musikalisch wie ein Befreiungsschlag wirkt. Es beginnt langsam, scheint sich dann wie eine aufkommende Panikattacke aufzutürmen und schleicht dann langsam wieder aus. Ein kleines Meisterwerk inmitten der ganzen Wut, die auf diesem Album zu finden ist. Von einem kleinen Funky-Touch geprägt ist das Lied „Juli“, das sich ausnahmsweise Mal nicht gegen eine Emotion oder das nicht greifbare Trauma zu richten, sondern direkt an einen Menschen adressiert zu sein scheint. Hier kommt auch musikalisch ein bisschen Abwechslung rein, die durchaus willkommen erscheint.
Ein homogenes Album
„Traum B“ ist wie eine natürliche neue Entwicklungsstufe nach dem Debütalbum „Angst gegen Vertrauen“. Michèl von Wussow hat hier ein schönes, homogenes Album geschaffen, dessen Entstehungsprozess sicherlich für ihn persönlich heilsam war. Wir dürfen dabei zuhören, während er gegen sein Trauma anschreit und sich selbst und allen anderen beweist, dass es nach einem Trauma eben auch einen Traum B geben kann. „Es war noch nie so leicht die Hoffnung aufzugeben, aber ich weigere mich ohne sie zu leben“ sind die letzten Worte des Albums und treffender könnte man es inhaltlich kaum zusammenfassen.
„Traum B“ von Michèl von Wussow erscheint am 23.08.2024 bei Hansa Local. (Beitragsbild von Nicolai Ditsch)