Michaela Krützen: Zeitverschwendung

Michaela Krützen Zeitverschwendung Buchcover S. Fischer Verlag

Auf über 1000 Seiten widmet sich die Medienwissenschaftlerin Michaela Krützen dem Warten, Gammeln und Driften in Film und Literatur

von Sebastian Meißner

Die Frage liegt auf der Hand: Ist ein Buch über Zeitverschwendung in Film und Literatur, das mehr als 1000 Seiten umfasst, Zeitverschwendung? Die Antwort: Ganz im Gegenteil. Umfassender und gleichzeitig kurzweiliger kann man das Thema schlicht nicht aufbereiten als es Michaela Krützen, Professorin für Medienwissenschaft in München, tut. er In ihrem Buch „Zeitverschwendung. Gammeln, Warten, Driften in Film und Literatur“ begibt sie sich auf eine aufregende Entdeckungsreise durch das Konzept der „Zeitverschwendung“, das in verschiedenen Epochen und Gesellschaften unterschiedlich bewertet wird. Sie untersucht die sich wandelnden Vorstellungen von Zeitverlust anhand ikonischer Film- und Literaturfiguren, wie etwa dem Dude in „Big Lebowski“, Gontscharows Oblomow oder Hans Castorp aus Thomas Manns „Zauberberg“. Diese Figuren verkörpern exemplarisch verschiedene Formen des Müßiggangs und der Inaktivität, die oft als Zeitverschwendung angesehen werden.

Tiefgehende Analysen

Michaela Krützen Zeitverschwendung Buchcover S. Fischer Verlag

Michaela Krützen kombiniert detaillierte Nacherzählungen mit tiefgehenden soziologischen und philosophischen Analysen. Ihre Argumentation stützt sich dabei auf theoretische Konzepte großer Denker wie Norbert Elias oder Pierre Bourdieu, die helfen, die gesellschaftlichen und historischen Hintergründe der vermeintlichen Zeitverschwendung zu entschlüsseln. Besonders spannend ist ihre Schlussfolgerung, dass Zeit nicht an sich verschwendet wird, sondern dass nur unser Urteil darüber, was Verschwendung ist, sich im Wandel der Zeit verändert.

Michaela Krützen und der Müßiggang

Das Buch ist vergnüglich und erhellend, nicht nur durch seine präzisen Analysen und die eingehende Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Perspektiven, sondern auch durch die Struktur, die es dem Leser ermöglicht, nach Belieben in die Kapitel einzutauchen und sich immer wieder neue Sichtweisen zu erschließen. Der Autorin gelingt es, das zunächst trivial anmutende Thema zu einem hochkomplexen und anregenden Diskurs zu erheben. Ihre klare, durchdachte und stets stichhaltige Argumentation sowie die zahlreichen kulturellen Bezüge machen Zeitverschwendung zu einem Referenzwerk für alle, die sich mit gesellschaftlichen Normen, Zeitverständnis und den Grenzen des Müßiggangs befassen wollen.

Michael Krützen: „Zeitverschwendung. Gammeln, Warten, Driften in Film und Literatur“, S. Fischer Verlag, Hardcover, 1000 Seiten, 978-3-10-397172-9, 38 Euro. (Beitragsbild: Buchcover)

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