Das Erinnerungsbuch von Michael Lang, besser als viele Abenteuerromane
Als Jimi Hendrix am Montag, 18.08.1969, gegen 10 Uhr morgens seine nunmehr weltberühmte Version des „The Star-Spangled Banner“ spielte, verfolgten seinen Woodstock-Auftritt lediglich noch gut 40 000 Menschen. Der nur ein Jahr später verstorbene Gitarrenvirtuose aus Seattle erlaubte es sich, die US-Nationalhymne zu zerfetzen und ein grandioses Statement gegen den damals herrschenden Vietnamkrieg zu setzen. Mit seinem zweistündigen Konzert beendete Hendrix das monumentale, in die Geschichtsbücher eingegangene Musikfestival. Dass er am Montagmorgen auftrat, war natürlich, wie einiges mehr, so nicht geplant.
Die Woodstock-Stars
Der Gig von Jimi Hendrix gehörte zu den zahlreichen, hochkarätigen Performances dieses in vielerlei Hinsicht außergewöhnlichen Wochenendes, zu denen auch die musikalischen Darbietungen von Janis Joplin, The Who, Crosby, Stills, Nash & Young (die überhaupt erst zum zweiten Mal zusammen auftraten), Sly And The Family Stone, Santana, Richie Havens, Joan Baez oder Ravi Shankar gehörten, während The Grateful Dead mit ihrem Konzert so ganz und gar nicht zufrieden waren. Fast alle aufgetretenen Künstler hatten mit widrigen äußerlichen Bedingungen zu kämpfen, an allen drei Tagen kamen Regengüsse hinunter, am Sonntag – nachdem Joe Cocker seine Wahnsinnsversion des Beatles-Songs „With A Little Help From My Friends“ sang und u.a. durch seinen Urschrei weltberühmt wurde – gar ein solch verheerendes Unwetter mit Blitz und Donner, dass das Festival unterbrochen werden musste, den Zeitplan gehörig nach hinten verschob und Jimi Hendrix‘ Auftritt am Montagmorgen erklärt.
Eine Hippie-Gegenkultur
Die Veranstalter um Ideengeber Michael Lang, dessen im amerikanischen Original bereits vor zehn Jahren veröffentlichtes Memoir „Woodstock – Die wahre Geschichte“ nun pünktlich zum 50. Jahrestag des berühmtesten Musikfestivals aller Zeiten in deutscher Übersetzung bei Edel Books vorliegt, hatten wahrlich mit einer Vielzahl an Hindernissen schon im organisatorischen Vorfeld zu kämpfen, um Woodstock zu ermöglichen. Detailliert und immer noch voller Idealismus erzählt der 1944 in Brooklyn, New York, geborene Lang die Vorgeschichte sowie den Ablauf des mit „An Aquarius Exhibition – 3 Days Of Peace & Music“ betitelten Festivals. Ebenfalls zu Wort kommen in diesem Buch seine Mitveranstalter, sowie zahlreiche Mitarbeiter und beim Festival aufgetretene Künstler. Das Woodstock-Festival geriet zu einem Happening der Hippie-Gegenkultur und den entstandenen Mythos erklärt Paul Kanter von Jefferson Airplane mit folgenden Worten: „Dort (Woodstock) herrschte ein Riesenchaos – und das war gut so. Denn wäre es komplett durchorgansiert gewesen, dann hätten sie es wirklich verkackt. So aber überwogen Chaos und Anarchie (…), und das machte Woodstock zu dem was es war.“
Michael Lang und seine Pioniertat
Natürlich war von den Organisatoren kein am ersten Tag bereits ausgerufenes „free concert“ angedacht, was dazu führte, dass die Zuschauerzahl eine nur geschätzt werden konnte. Und trotz der abnormen Besucherzahl vom 500 000 (und wahrscheinlich mehr) Menschen – gerechnet wurde mit maximal der Hälfte – blieb alles, getreu dem Motto „3 Day Of Peace & Music“, friedlich. „Woodstock“ war eine heldenhafte Pioniertat der Musikgeschichte, mit der sich Michael Lang ein Denkmal gesetzt hat. Wer an allen Hintergründen des Festivals interessiert ist, kommt an Langs Buch nicht vorbei. Es liest sich wie ein sehr gut geschriebener Abenteuerroman.
Michael Lang: „Woodstock – Die wahre Geschichte“ mit Holly George-Warren, Edel Books, übersetzt von Sonja Kerkhoffs, Hardcover, 384 Seiten, 978-3-8419-0646-5, 24,95 €.