Mia Morgan: Silber – Albumreview

Mia Morgan credit Can Wagener

Mia Morgain verpasst ihrem Sound eine fette Portion Dopamin. Doch ist ihre Wut überhaupt echt?

von Sven Weiss

Eine deutschsprachige Künstlerin, die ihr Album mit dem Song „Ein Herz aus Gold und Rosen“ eröffnet? Schnell könnte man vermuten, dass es hier kräftig giesingern wird. Doch halt: Auf dem Cover ist Mia Morgan nicht nur mit wallender blonder Mähne zu sehen, sondern mit einem glänzenden Schwert. Und tatsächlich: Morgan ist nicht angetreten, um mit ihren Songs Gefangene zu machen. Das wird bereits nach etwa eineinhalb Minuten deutlich, wenn nach einem kurzen, balladesken Einstieg, die Gitarren gleich so richtig losballern.

Hossa! Was ist denn da los? Ja, das ist dieselbe Mia Morgan, die 2022 auf ihrem Debüt „Fleisch“ mit zuckrigem Elektropop als neue Nena gefeiert wurde. Für das aktuelle Album hat sie ihrem Sound eine fette Portion Dopamin eingeimpft. Und das knallt dann halt mal so richtig. Während man „Fleisch“ noch akustisch hätte umsetzen können, würde man „Silber“ damit die Seele rauben. Das lässt das Team um Morgan verlauten. Ein Satz, der neugierig macht, aber bei Songpuristen auch schnell das kalte Grausen erzeugen kann.

Brachialer Industrialsound

Mia Morgan Silber Albumcover

Und tatsächlich: Auf Silber geht es zu großen Teilen um die Produktion. Da treffen wuchtige Metalcore-Drums auf fette Gitarrenriffs, Techno-Sounds und hektische Glitches. So entsteht ein brachialer Industrialsound, der allerdings bei aller Energie immer völlig künstlich wirkt. Das klingt nach Computer und nicht nach verschwitztem Proberaum. Das Ergebnis wirkt, als hätte man LaFee einen kräftigen Tritt in den Hintern verpasst, um sie dann an den Ballermann zu verfrachten, um mit Lambretta (Kennt die noch jemand?) und The Warning um die Häuser zu ziehen.

Doch da sind auch noch die Vocals. „Was muss ich noch versuchen – für die Kirsche auf dem Kuchen – denn alles wofür ich mich massakriere im Dreck – kriegst du serviert auf einem silbernen Tablett“ – so reimt die Künstlerin, und man fragt sich, wie echt diese Wut eigentlich ist.

Mehr Kassel als Neukölln

Denn auf den Cyberpunksound, der ihr für ihre Songs serviert wird, legt Morgan Vocals, die eher nach Barbie klingen als nach düsterem Schmerz. Eben mehr nach Kassel (der Heimatstadt Morgans) als nach Neukölln, eher nach Kräutertee als nach Giftspritze. Eine polarisierende Kultfigur will Morgan sein, doch dabei ist sie auf halbem Weg stehen geblieben. „Ich will spielen mit den großen Jungs“ singt Morgan im ebenso betitelten Stück. Bis diese sie auf den Spielplatz lassen, muss wohl noch etwas mehr kommen.

Dabei gibt es zahlreiche gute Momente auf dem Album. „1000 kleine Tode“ lässt ganz entfernt an Evanescence denken, und bei „(Spielen mit den großen) Jungs“ vermutet man für einen kurzen Moment gar Trent Reznor an den Reglern. Aber wahrscheinlich sind diese Referenzen für die Künstlerin kaum relevant, dürfte ihre Zielgruppe doch nichts weiter als ein ferner Gedanke ihrer Eltern gewesen sein, als diese sich zur Musik der oben Genannten auf der Tanzfläche schüchtern berührten. Dabei ist Morgan auch schon 30, auch wenn sie klingt wie eine wütende 17-jährige.

Mia Morgan: Hirn aus und losballern!

Für feministisches Empowerment wurde Mia Morgan nach ihrem Debütalbum gefeiert. Auf „Silber“ kommen die Texte dafür viel zu platt daher. Wenn man das Hirn jedoch ausschaltet, und sich einfach mal die Ohren durchpusten lassen will, funktionieren die Songs erstaunlich gut. Auch für Hörer, die ihre Teeniejahre bereits hinter sich haben. Muss ja niemand mitkriegen.

„Silber“ von Mia Morgan erscheint am 21.03.2025 bei Wiedergänger / RecordJet. (Beitragsbild von Can Wagener)

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