Messer: Jalousie – Album Review

Auf ihrem dritten Studioalbum „Jalousie“ entführen Messer ihre Hörer in einen Klangkosmos aus Widersprüchen, Lust und Obsessionen. Lyrisch und schrecklich schön

Dass Messer sich als künstlerische Spielwiese verstehen, war schon auf ihren ersten beiden Alben „Im Schwindel“ und „Die Unsichtbaren“ spürbar – das Songwriting unangepasst, Gesang und Texte mitunter irritierend, poetisch, fein und kalt. Die Aufmerksamkeit der Kritiker war ihnen damit sicher und das Feuilleton lobte die Band um Sänger Hendrik Otremba in schwindelerregende Höhen.

Überschäumend, lustvoll und wütend

Wie die bereits im Juni veröffentlichte EP „Kachelbad“ mit „Der Mann, der zweimal lebte“ und „Detektive“ erahnen ließ, durchbrechen Messer auch auf „Jalousie“ Hörgewohnheiten und widersetzen sich den Normalitätserwartungen, die man an eine Band mit aufgedrücktem Post-Punk-Stempel stellen könnte. Zwar sind die entsprechenden Referenzen noch klar zu hören, doch eine Festlegung auf ein musikalisches Genre erscheint endgültig schwierig. Besonders auffällig sind die treibende und teilweise verspielte Percussion mit Rasseln, Glocken und Schellen, der Hall und das Echo auf den Gitarren, die sich bisweilen zu heulenden Klangwänden hochspielen und das düstere Orgelspiel.

Letzteres zieht den Hörer bereits im Opener „So sollte es sein“ schwermütig in seinen Bann, der seine Auflösung in einem Duett mit Stella Sommer von Die Heiterkeit findet. Hektisch, dringlich, obsessiv und im besten Sinne disharmonisch zeigt sich dagegen „Meine Lust“, das in den ersten Sekunden an das wirr flimmernde „Give Me It“ von The Cure erinnert. Einen weiteren Höhepunkt markiert „Niemals“, das den Hörer wütend und ebenso dringlich mitreißt. Für den Track „Die Hölle“ greifen Messer auf Dark Wave und Minimal-Elemente zurück und kreieren eine kalte Atmosphäre, die den Worten Otrembas besonderen Nachdruck verleiht: „Wenn einer lügt, kann auch ein anderer lügen / Denkt sich der, der betrügt / Wenn wer verletzt, kann auch ein andrer verletzen / Worte finden ihren Weg“.

Lyrisch, fragmentarisch und widersprüchlich

Wie auch auf den Alben zuvor versteht es Otremba, seine Themen lyrisch zu verarbeiten. Die Bilder, derer er sich bedient, sind voller Gegensätze, gezeichnet von Licht und Dunkelheit, so auch beim Liebesspiel von Schönheit und Traurigkeit in „Der Mann, der zweimal lebte“: „Und sie stehen nicht vor Gericht / Nein, sie liegen /Und sie sprechen nicht / Nein, sie lieben / Ich dacht‘ wie’s wohl wäre / Wäre es nicht so schwer / Er sagte, ich sei leer / Bin ich doch voll / Von deiner Liebe“.

Die poetischen und teilweise fragmentarischen Texte des Albums lassen dem Hörer insgesamt genügend Raum für eigene Deutungen und das Füllen von Leerstellen. Für einen Song nahm Otremba die Interpretation jedoch bereits vorweg: Im Gespräch mit Deutschlandradiokultur sagte er, „Schwarzer Qualm“ stelle eine Reaktion auf den Umgang mit Flüchtlingen in Deutschland und Europa dar, zu dem er sich künstlerisch habe verhalten wollen. Dazu wählt er das Motiv des Ertrinkenden: „Im Boden des Hauses klafft ein Loch / Das Wasser, es drängt vom Keller rein / Keiner weiß hier deinen Namen / Niemand lässt dich hier herein“. Im gleichen Interview äußerte Otremba: „Ich empfinde Glück in der Welt, so schrecklich, wie sie ist.“ Da ist er wieder – der Widerspruch, der sich durch „Jalousie“ zieht.

„Jalousie“ von Messer ist am 19.08.2016 bei Trocadero / Indigo erschienen.

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