Me And My Friends: Before I Saw The Sea

Me And My Friends begeben sich auf ihrem neuen Album „Before I Saw The Sea“ auf die Spuren von Sade

Viel zu lang blieb die fein gesponnene Musik von Me And My Friends unter dem Radar. Mit ihrem neuen Studioalbum sollte der federleichte Mix aus Folk, Soul, Afrobeat und Reggae aber endlich zünden. Zumal der Gesang auf Angenehmste an ein großes Vorbild erinnert. Was macht eigentlich die britisch-nigerianische Soul- und Smooth-Jazz-Sängerin Sade? Gerade mal sechs Alben hat die geheimnisvolle Schöne seit dem Sensationsdebüt „Diamond Life“ von 1984 veröffentlicht, das letzte hieß vor 13 Jahren „Soldier Of Love“. Aber nun gibt es doppelt Trost für ungeduldig wartende Fans. Frau Adu (inzwischen 64 Jahre alt) soll auf Brad Pitts noblem Weingut Château Miraval neue Musik aufgenommen haben – und mit Me And My Friends existiert zum Glück eine Band, die anspruchsvolle Sade-Verehrer begeistern und die Lücke fürs Erste füllen könnte.

Dezent, aber nachhaltig

Me And My Friends Before I Saw The Sea Cover

Dass „Before I Saw The Sea“ bereits das vierte Album des britischen Quintetts seit seinem Debüt von 2012 („Beneath A Level Head“) ist, könnte auch aufmerksamen Hörern durchgerutscht sein. Denn „Ich und meine Freunde“ sind ein Ensemble, das nicht mit bombastischen Effekten auftrumpft, sondern dezent (aber nachhaltig) für sich einnimmt. Die Verbindung zum weiter oben erwähnten Easy-Listening-Weltstar ergibt sich aus dem zarten, wunderbar entspannten und entspannenden Gesang der Cellistin Emma Coleman („Lover, Come Back To Me“ etwa klingt wie ein verschollener Sade-Klassiker), den federleichten Rhythmen von James Grunwell (Bass) und Fred Harper (Drums, Percussion) sowie dem raffiniert-relaxten Gitarren-Sound von Nick Rasle. Abgeschmeckt mit der sanften Melancholie einer omnipräsenten Klarinette (Sam Murray), wird daraus eine anregend bittersüße Folk/Soul/Afropop/Reggae-Mixtur, die zwar bestens im Hintergrund jeder urbanen Latte-Macchiato-Bar funktioniert, aber zuhause unter dem Kopfhörer erst so richtig ihren Mehrwert entfaltet.

Extrem entspannte Musik, aber mit „Witness“ auch politisch

Während des Lockdowns in Großbritannien sei „ein kollektives Gefühl der urplötzlich entschleunigten Zeit entstanden, das aber immer von einer angespannten Erwartungshaltung begleitet wurde“, teilen Me And My Friends (was für ein sympathisch schlichter Bandname) zu ihrem neuen Album mit. Doch die Band beließ es nicht bei der für die Corona-Pandemiezeit so typischen Selbstreflexion, sondern richtete den Blick auch nach außen: Der Song „Witness“ sei eine Reaktion auf das Video von George Floyds Ermordung in den USA 2020 und ehre „die Menschen hinter der Kamera, die mit der Veröffentlichung der Bilder dazu beigetragen haben, eine weltweite Zeitenwende in der Haltung zu Rassismus und staatlicher Gewalt herbeizuführen“ (Textbeispiel: „Here’s one to those with guts/to bear a witness“).

Anhaltend schöne Musik von Me And My Friends

Me And My Friends, die nicht nur anhaltend schöne Musik machen, sondern stets auch sehr geschmackvolle Albumcover gestalten, sind seit ihren Anfängen in einem Keller im englischen Leeds bisher zu Unrecht unter dem Radar geblieben. Ihr neues Album belehnt die tolle Souljazz-Stimme von Sade Adu ebenso wie den überall anschlussfähigen World-Music-Pop einer Fatoumata Diawara, den flirrend-warmen Gitarrenklang von José Gonzalez oder den futuristischen Crossover-Entwurf von Khruangbin und Quantic. Und doch wirkt „Before I Saw The Sea“ angenehm eigenständig.

„Before I Saw The Sea“ von Me And My Friends erscheint am 27.01.2023 bei Ear Trumpet / Split Shift. (Beitragsbild von Corinne Cumming)

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