Matthias Nawrat: Der traurige Gast – Roman

Matthias Nawrat Der traurige Gast Cover Rowohlt Verlag

Ein neuer, kunstfertiger Roman von Matthias Nawrat

Mit seinem vierten Roman „Der traurige Gast“ befindet sich Matthias Nawrat, der mit seiner zweiten Veröffentlichung „Unternehmer“ auf der Longlist des Deutschen Buchpreises stand,  auf der Nominierungsliste für den Preis der Leipziger Buchmesse. Eine ähnliche Resonanz hat man bereits seinem letzten Werk „Die vielen Tode unseres Opas Jurek“ gewünscht, einem tragikomischen, gar  schelmischen Roman des 1979 im polnischen Opole geborenen Schriftstellers, der als zehnjähriger mit seiner Familie nach Deutschland kam und nun in Berlin wohnt. In der deutschen Hauptstadt angesiedelt ist nun Nawrats neuer literarischer Streich „Der traurige Gast“, der, wie es der Titel schon evoziert, nicht mehr viel gemein hat mit dem turbulenten und humoristischen Setting seines Vorgängers.

Matthias Nawrat und seine Geburtsstadt Opole

Matthias Nawrat Der traurige Gast Cover Rowohlt Verlag

Als trauriger Gast entpuppt sich der Ich-Erzähler des Romans, dem Matthias Nawrat diverse autobiographische Eckdaten zubilligt. Der namenlose Ich-Erzähler trifft Menschen in Berlin, hört zu, beobachtet, berichtet und philosophiert über das Leben. Sein erster Kontakt ist die alternde Architektin Dorota, dir nie Schöneberg verlässt und die der Erzähler aufgrund von zaghaften Überlegungen eine Wohnungsumgestaltung betreffend aufsucht. Ebenso wie er stammt auch Dorota aus Opole, wohin ihre Familie mütterlicherseits nach dem Krieg aus der Westukraine zog, bevor sie der Liebe wegen nach Berlin auswanderte. Dorota ist die erste von drei mitteilungsbedürftigen Personen, die unserem Verfasser die stets mit Migrationshintergründen verbundene Familien- und Herkunftschronik erzählen. Während bei der sich im Verlauf des ersten Kapitels das Leben nehmenden Dorota Polen im Mittelpunkt steht, sind es bei Eli Geschichten aus Rumänien und bei dem ebenfalls aus Polen stammenden Dariusz kommt die fassungslose Trauer um seinen in Bolivien verstorbenen Sohn hinzu.

Zwischen Schwermut und Angst

Es sind keine erbauenden Anekdoten, die der Erzähler zu hören bekommt, der überdies hinaus mit dem Terroranschlag auf dem Breitscheidplatz klar kommen muss. In Nawrats Roman, der aus keiner durchgehenden Geschichte, sondern aus vielen Einzelteilen besteht, manifestiert sich fortwährend ein Gefühl zwischen Schwermut und Angst. Die aus ihren Lebensverhältnissen gerissenen und mit Fremdheitsempfindungen gezeichneten Figuren scheinen verloren in den globalen Dissonanzen und stellen sich die essentiellen Fragen nach der eigenen Identität und Lebensrealität.  Matthias Nawrat fügt die inhaltlich miteinander verwobenen, zumeist aus Erinnerungen bestehenden Stränge zu einem feingliedrigen, mit den Zeitebenen spielenden, kunstfertigen Roman über Berlin und die Welt. Und beweist sich als ein kluger Beobachter wie es einst Wilhelm Genazino war.

Matthias Nawrat: „Der traurige Gast“, Rowohlt, Hardcover, 304 Seiten, 978-3-498-04704-7, 22 € (Beitragsbild: Buchcover) .

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