Vorhang auf für einen neuen Erzromantiker des Pop. Der britische Singer-Songwriter Matt Maltese findet für Liebe und Liebesleid betörend schöne Melodien.
von Werner Herpell
Können diese Plüschaugen auf dem Cover von Matt Malteses neuem Album lügen? Wie er versonnen in die Kamera schaut, neben sich die Beine einer unbekannten Dame in recht lasziver Pose drapiert, kann man den 29-jährigen Singer-Songwriter entweder für einen ziemlichen Macho halten – oder ihm die Tiefe seines Blicks abnehmen und ihn zu den großen Sensiblen zählen. Die elegante, zeitlos schöne, bisweilen kitschnahe Musik von „Hers“ und die Lyrics dieser Liebes- und Liebesleid-Lieder scheinen Letzteres zu bestätigen: Dieser Mann muss ein Frauenversteher mit den allerbesten Absichten sein.
Schwelgerische Sophisticated-Pop-Melodien
Schon auf dem Vorgängerwerk des Sohns kanadisch-italienischer Eltern, der im englischen Reading aufwuchs, fuhr Matt Maltese alles auf, was einem Indie-Songwriter und Arrangeur so möglich ist. „Driving Just To Drive“ (2023) war bereits großes Kino mit schwelgerischen Sophisticated-Pop-Melodien, denen man die Bewunderung für den Easy-Listening-Gott Burt Bacharach, den melancholischen Crooner Eric „All By Myself“ Carmen und das romantische Genie Paddy McAloon (Prefab Sprout) gleichermaßen anzuhören meinte (neben einigen anderen Einflüssen aus der opulenten Popmusik seit den Sixties).
Ein Herzschmerz-Album soll „Hers“ sein, und ja, das nimmt man Matt Maltese und seinen von weiblichen Background-Vocals verzierten Pianopop-Balladen oder (höchstens) Midtempo-Songs tatsächlich ab. „Ich habe schon viel Musik geschrieben, die aus einer Verliebtheit heraus entstanden ist“, sagt er. „Aber diese Platte entstand aus der Reflexion über eine viel längerfristige Liebe. Die Komplikationen und wundervollen Wege, die sie durchläuft, und der Herzschmerz, der sich daraus ergibt. Ich musste wirklich darüber nachdenken und schuften.“
Tränenzieher voller Schwermut
Schon die Vorab-Single „Buses Replace Trains“ ist ein echter Tränenzieher – ein Lied, mit dem man in den 60ern oder 70ern ohnehin schon traurigen Filme noch etwas mehr Schwermut zugeführt hätte. „Der Satz ‚Busse ersetzen Züge‘ hat etwas Berührendes, wenn man ihn aus dem Zusammenhang reißt“, sagt Maltese über die Idee dahinter. „Es löste natürlich die Nostalgie der Schienenersatzbusse in Reading aus, als ich aufwuchs – aber ich wollte auch nicht verdrängen, dass es ein Titel für ein Liebeslied sein konnte. So schlicht und gewöhnlich und alltäglich.“
Dass dieser Sänger mit seiner feinen, samtigen Stimme für Lovesongs geboren wurde, scheint er inzwischen selbst einzusehen. „Ich bin Brite genug, um mich ein wenig dafür zu schämen, dass ich in der Vergangenheit so viele Liebeslieder geschrieben habe. Vielleicht wäre es auf dem Papier interessanter gewesen, ans andere Ende der Welt zu gehen und ein Konzeptalbum über prähistorische Kreaturen oder so etwas zu schreiben.“ Aber: „Es ist meine Aufgabe als Songwriter, die Dinge in meinem Leben auszugraben, und das war es, was ich durchgemacht habe.“
Matt Maltese – ein umtriebiger Künstler
Seit der Veröffentlichung von „Driving Just To Drive“ vor zwei Jahren war Matt Maltese sehr aktiv, indem er seine Fähigkeiten an Künstlerkollegen weitergab und das Indie-Label Last Recordings OnEarth gründete. Voriges Jahr veröffentlichte er das Cover-Album „Songs That Aren’t Mine“, zudem gab er sein Debüt als Songwriter für die Royal Shakespeare Company. Ein umtriebiger junger Künstler, der mit „Hers“ ein weiteres Edelpop-Ausrufezeichen setzt.
Das Album „Hers“ von Matt Maltese erscheint am 16.05.2025 bei The Orchard. (Beitragsbild von Vinca Petersen)