Auf seinem sechsten Album für ECM forcieren der norwegische Trompeter Mathias Eick und sein Quartett die Gradlinigkeit
von Sebastian Meißner
Es ist diese feine Balance aus eingängigen Melodien, freier Improvisation und intensiver Kommunikation zwischen den Musikern, die die Alben des norwegischen Trompeters Mathias Eick auszeichnet. Das gilt für die fünf Alben, die er seit 2008 beim Münchener Label ECM eingespielt (zuletzt „When We Leave“, 2021) hat ebenso wie für sein neues Album „Lullaby“. Eick setzt dabei auf die bewährte Quartett-Formation, bestehend aus den ECM-Vertrauten Kristjan Randalu (Klavier), Ole Morten Vågan (Bass) und Schlagzeuger Hans Hulbækmo, der als einziger Neuzugang eine spürbar frische Note ins Ensemble bringt.
Eine neue Schreibphase von Mathias Eick
Die insgesamt acht Stücke überzeugen vor allem durch ihre warmen, lyrischen Klanglandschaften, die sich mit viel Ruhe und ganz ohne Hast über Spielzeiten von jeweils mehr als fünf Minuten entfalten. In diesen melodischen Liedern ist ein starkes Gefühl der Hingabe zu spüren. Die drückt sich einerseits im immer songdienlichen Spiel aller Beteiligten aus, andererseits in ihrem dicht ineinander verwobenen Zusammenspiel. Eicks unverwechselbarer Trompetenton wird häufig von Randalus mal sanften, mal druckvollen Klavierpassagen begleitet und wagt sich auch in luftige Höhen, immer per Räuberleiter sicher gestützt von der hellwach agierenden Rhythmusgruppe.
Diesen Weg folgt Mathias Eick schon länger. Es gibt aber auch Neuigkeiten auf „Lullaby“. „Jedes Mal, wenn ich in eine neue Schreibphase eintrete – normalerweise für mein nächstes Album -, versuche ich, neue Wege zu gehen, neue Stile und neue Musiker auszuprobieren“, erklärt Eick selbst. Diese Einstellung lässt sich auf „Lullaby“ übertragen, wo der Musiker sich zwar in vertrauten Gefilden bewegt, dabei aber neue Impulse und klangliche Details einbringt. Die pastoralen und folkloristischen Elemente, die seine früheren Werke prägten, treten hier etwas zurück, was dem Album eine andere, etwas geradlinigere Ausrichtung verleiht.
Grenzenlose Ernsthaftigkeit
Als Anspieltipps bieten sich neben dem großgestigen Titelstück, das klingt wie ein Film Noir, auch das anmutige „My Love“ sowie „Free“ an, das mit Abstand heiterste Stück dieser Sammlung. Ihnen allen ist eine Ernsthaftigkeit zu eigen, die diese Musik aus dem Verdacht der reinen Unterhaltungsabsicht befreit und sie gleichzeitig erhebt zu etwas Leichterem und Grenzenloserem. Insgesamt ist „Lullaby“ ein Album, das vor allem durch seine innere Überzeugung und das einfühlsame Zusammenspiel der Musiker überzeugt. Es ist eine gelungene Weiterentwicklung des Klangs, den Mathias Eick in den letzten Jahren beständig kultiviert hat. Fans von ruhigeren, lyrischen Jazz-Klängen werden hier ebenso auf ihre Kosten kommen wie Hörer, die die subtile Improvisation zu schätzen wissen. Insgesamt ein sehr stimmiges und rundes Album.
„Lullaby“ von Mathias Eick erscheint am 14.02.2025 bei ECM Records (Beitragsbild von Colin Eick)