Mascha Alechina: Pussy Riot – Tage des Aufstands

 

Ein Punk-Gebet für Menschenrechte

Das autobiographische Buch „Tage des Aufstands“ liest sich zunächst wie ein Punk-Essay gegen das russische System. Geschrieben wurde es von Mascha Alechina, Mitglied von Pussy Riot, einer feministischen, regierungs- und kirchenkritischen Punkrock-Band aus Moskau. Sie erlangte Berühmtheit, nachdem sie nach ihrem „Punk-Gebet“ 2012 in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale verhaftet und zum Teil zu zwei Jahren Haft verurteilt wurden, was aufgrund der Härte der Strafe weltweit für großes Aussehen sorgte. Zusammen mit Nadja Tolokonnikowa verschwand Mascha Alechina in den Mühlen des Rechtssystems eines Staates, dessen Haftbedingungen sich wie ein Auszug aus einem Geschichtsbuch des  Dritten Reiches lesen.

Sounds & Books_Mascha Alechina_Pussy Riot_CoverDie Novelle fängt harmlos an. Zeichnet Gedankenskizzen einer Frau, die das russische Oberhaupt Vladimir Putin, “den Patriarchen“, wie sie ihn nennt, und das System, in dem sie lebt verachtet, sich aber erstmal nicht dagegen auflehnt. Relativ schnell wird klar, dass sie ihren Unmut öffentlich kundtun möchte und so plant sie zusammen mit anderen Mitgliedern der Pussy Riot ihren legendären Auftritt, für den sie harte Konsequenzen tragen muss. Alechina schildert, immer in knappen Sätzen gehalten, eine Inneneinsicht der Ereignisse rund um das „Punk-Gebet“, über ihre Flucht und zur Verhaftung bis hin zu dem Hass, der ihr nach der Aktion in jeder Ebene ihres Landes entgegen schlägt. Unterbrochen werden ihre Gedanken dabei von Zitaten bekannter Persönlichkeiten wie Fidel Castro oder Paul McCartney, die in schwarzen Kästen den Lesefluss unterbrechen.

Auch Zitate Putins oder anderer Geschädigter werden in dieser Form Teil der Erzählung. Überhaupt ist „Tage des Aufstands“ keine weichgespülte Abendlektüre. Mit dem Aufenthalt im Straflager, den unmenschlichen Verhältnissen, die dort herrschen, Erniedrigungen, Demütigungen bis hin zu Alechinas Auflehnung gegen das System, die sie, bereits inhaftiert, immer weiter führt und sich für die Verbesserung der Haftbedingungen einsetzt. Für ihre Ideale geht sie an Grenzen, hungert, sitzt wochenlang in Einzelhaft, das Schlafen wird ihr untersagt, in Form von brutalen gynäkologischen Untersuchungen wird ihr besonders zugesetzt. Trotz allem gibt sie nicht auf, unterstützt von Amnesty International setzt sie so einige ihrer Forderungen für bessere Haftbedingungen durch und wird nach zwei Jahren Haft entlassen, wohl auch, weil das Rechtssystem Russlands eine zunehmende Gefahr in ihrer Starrköpfigkeit sieht.

„Tage des Aufstands“ ist ein eindringliches Dokument, das von der Lesart oft etwas wie  „House of Leaves“ anmutet und das den Kampf einer Frau schildert, die für Veränderungen eines Systems bis an ihre Grenzen geht. Die Novelle ist in jeder Form erstaunlich kurzweilig, man möchte das Buch einfach nicht mehr zur Seite legen. Alechina erhebt mit ihren Schilderungen jedoch nicht den Anspruch auf detaillierte Faktenlagen, chronologische Genauigkeit, oder einer Beeinflussung des Lesers zum System Russlands. Vielmehr versteht man durch ihre Geschichte am Ende besser, warum die Band 2012 von Amnesty International und Yoko Ono mit dem Lennon-Ono-Friedenspreis ausgezeichnet wurde. Pussy Riot mit Mascha Alechina und die Idee dahinter stehen nachhaltig für viel mehr, als Spaß an der Provokation; sie stehen für Menschenrechte, Kampfgeist und für die Durchsetzung der Redefreiheit in einer Zeit, in der man denkt, das alles sei bereits selbstverständlich.

Mascha Alechina: „Pussy Riot – Tage des Aufstands“, Verlag Ciconia Ciconia, aus dem Russischen von Maja Rajer, Kartoniert, 292 Seiten, 978-3-945867-09-9, 20 Euro.

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