Stärken und Schwächen
Es lief zuletzt nicht viel rund im Leben der Mary J. Blige. Die Karriere geriet durch das eher träge Album „The London Sessions“ ins Stocken. Und privat trennte sich die inzwischen 46-Jährige von ihrem Ehemann Martin „Kendu“ Isaacs, mit dem sie zwölf Jahre lang verheiratet war. Wie um zu beweisen, dass sie nichts aus der Bahn werfen kann, hat Blige ihr neues Album „Strength Of A Woman“ genannt. Ganz zu alter Stärke findet sie aber auch darauf nicht zurück. Das liegt nicht am Songmaterial. Blige hat auch auf ihrem neuen Album wieder einige große Nummern versammelt.
Vor allem der Opener „Love Yourself“ mit Gaststar Kanye West, das gospelige „Set Me Free“ mit Orgel, Bläsern und Backing-Vocals und die Ballade „Smile“ sind Belege für ihr ungetrübtes Gefühl für tolle Kompositionen. Auch das Titelstück und „Telling The Truth“, eine Kooperation mit Kaytranda und BadBadNotGood, ist mehr als solide. Blige zeigt in nahezu allen Tracks ihr Können. Ihr stimmlicher Einsatz ist enorm. Sie fleht, klagt, lobt, beschwört und singt sich wieder stark, dass es eine Freude ist. Wo also ist der Haken auf „Strength Of A Woman“? Dem Album haftet eine seltsame Angestrengtheit an.
Zwischen Songtiteln wie „Indestructible“ und „Survivor“ schleicht sich schnell der Verdacht ein, dass Blige ihre Stärke nur vorgibt. Dass sie eigentlich viel getroffener ist als sie zugeben mag. Und dass sie somit nicht authentisch ist. Dasselbe Gefühl stellt sich in musikalischer Hinsicht ein. Songs wie „Glow Up“, „U + Me“ und „Thick Of It“ hecheln dem Zeitgeist hinterher und wollen auch beim wiederholten Versuch nicht so recht zünden. Es mag Programm gewesen sein, sich auf dieser Platte als Überlebende, als Starke, als Unbezwingbare zu präsentieren. Aus künstlerischer Perspektive hat sie mit dieser Entscheidung aber auch Potenzial liegengelassen. Und so ist „Strength Of A Woman“ ein okayes, aber kein gutes Album geworden.
„Strength Of A Woman“ von Mary J. Blige ist am 28.04.2017 bei Capitol / Universal Music (auch Beitragsbild) erschienen.