Martin Suter : Montecristo – Roman

In den Fängen der verschworenen Finanzwelt

von Gérard Otremba

In seinem neuen Buch Montecristo konstruiert Martin Suter einen höchst unterhaltsamen und spannenden Verschwörungsroman. Der Schweizer Autor lässt jedoch keinen Zweifel an der Realitätsnähe seiner literarischen Erfindung. Die Verflechtung zwischen Finanzkapital und Politik ist so groß, mächtig und allgegenwärtig, dass sogar Kontrollinstanzen wie die Presse zum Scheitern verurteilt sind. Der Videojournalist Jonas Brand schlägt sich mit Aufträgen für ein Lifestyle-Magazin durchs Leben, träumt vom Durchbruch als Filmregisseur und wird während einer Zugfahrt Zeuge eines „Personenschadens“, wie es lapidar so unschön heißt.

Wenige Wochen später entdeckt Brand zwei identische Hundertfrankenscheine in seinem Besitz, die beide von seiner Bank als echt deklariert werden. Kurz darauf wird in seine Wohnung eingebrochen und er selbst überfallen, die Polizei interessiert das alles jedoch nicht wirklich. Mit Hilfe des nach dem Tode seiner Frau etwas verwahrlosten Wirtschaftsjournalisten Max Gantmann forscht Jonas Brand nach und kommt peu à peu einem Finanzskandal weltpolitischen Ausmaßes auf die Spur. Der Zugtote war ein in Fachkreisen bekannter Börsenmakler, der sich in Milliardenhöhe verspekulierte, den Verlust mit Derivaten ausglich, ein schlechtes Gewissen bekam und sich offenbaren wollte. Mitten in seinen investigativen Recherchen erhält Brand das Finanzierungsangebot seines „Montecristo“-Projekts, einer aktualisierten, modernen Verfilmung des Alexandre Dumas-Stoffes.

Die Chance, seinen Traum zu verwirklichen kann sich Brand nicht entgehen lassen und verabschiedet sich von den brisanten Finanzskandalenthüllungen. Doch als sein Journalisten-Kompagnon Gantmann unter mysteriösen Umständen bei einem Brand in seiner Wohnung ums Leben kommt, führt Brand die begonnenen Nachforschungen zu Ende, nicht ahnend, dass die Verschwörung längst sein privatestes Umfeld erreicht hat. Martin Suter wählt für Montecristo ein leider realistisches wie fatales Ende. Gegen den Sumpf der Korruption, gegen das Streben nach Machterhalt und die Versklavung des Menschen durch das kapitalistische Wirtschaftssystem, das sich gerne hinter dem Deckmantel der Demokratie versteckt, und die aufgeblähte Finanzblase ist das Individuum das schwächste Glied in der Kette und zur Unterordnung verdammt. Ein im realen Leben häufig genug zu beobachtendes Phänomen, eine denkbare und greifbar nahe Alternative hat Martin Suter in seinem neuen Roman verpasst, liefert aber mit Montecristo nichtsdestotrotz beste Unterhaltung auf erhöhtem literarischem Niveau.

 Martin Suter: „Montecristo“, Diogenes Verlag, Hardcover, 978-3-257-06920-4, 23,90 €.

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