Grundsolide Spannungsliteratur mit Charme und Ironie
von Gérard Otremba
Ein neuer Fall für Scotland Yard-Inspektor Richard Jury. Inspektor Jury und die Frau in Rot ist der nunmehr 23. Band der beliebten, seit 1981 (in deutscher Übersetzung seit 1987) bestehenden Krimireihe der amerikanischen Schriftstellerin Martha Grimes. Zwar befindet sich Inspektor Jury offiziell im Urlaub, trifft sich aber mit Tom Williamson, dem guten Freund eines Freundes, in der exquisiten Bar Vertigo 42 (so auch der Originaltitel) im 42. Stock eines Hochhauses im Londoner Bankenviertel. Williamson bittet Jury, sich den siebzehn Jahre alten Todesfall seiner Frau Tess genauer anzusehen, die bei einem Treppensturz ums Leben kam. Die Sache ist als Unfall zu den Akten gelegt worden, schließlich litt Tess Williamson an Schwindelanfällen, doch ihr Mann war nie so recht von dieser These überzeugt.
Bevor sich Richard Jury einen Eindruck vom damaligen Tatort in Devon machen kann, besucht er seinen adligen Kumpel Melrose Plant und dessen verschrobene Freunde in Long Piddleton. Prompt wird er in einen ähnlichen Fall verwickelt, ist doch eine schöne Frau in einem auffallend hübschen roten Kleid durch einen Sturz von einem Turm zu Tode gekommen. Inspektor Jury schaltet sich ungefragt in die Ermittlungen ein und verfolgt vordergründig den Williamson-Fall. Fünf Jahre vor dem Tod von Tess Williamson starb bei einer von ihr beaufsichtigten Kindertreffens mit der unbeliebten, weil hinterhältigen Hilda Palmer eins der anwesenden Kleinen unter ungeklärten Unfallursachen zu Tode gekommen. Bei ihren Recherchen stoßen Jury und sein Assistent Sergeant Wiggens auf das fehlende Glied in der Kette dieser drei Todesfälle.
Die Muster und Themen der Inspektor Jury-Reihe sind den Lesern natürlich längst bekannt und werden von der inzwischen 85-jährigen Martha Grimes genüßlich in allen Variationen präsentiert. Das betont Britische dieser Serie war schon immer als ironisches Mittel zu sehen und wird im neuen Fall wieder sehr auf die Spitze getrieben. Aber Marthas Grimes lacht mit ihren Protagonisten und nicht über sie, denn viel zu liebenswürdig sind ihre Charakterzeichnungen der Akteure. Inspektor Jury und die Frau in Rot reicht zwar nicht an die Glanzlichter der Reihe (Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd, Inspektor Jury küßt die Muse, Inspektor Jury gerät unter Verdacht), bietet aber solide und spannende Unterhaltung mit gewohnt sympathischem Personal.
Martha Grimes: „Inspektor Jury und die Frau in Rot“, Goldmann Verlag, übersetzt von Cornelia C. Walter, Hardcover, 416 Seiten, 978-3-442-31401-0, 19,99 €.