Marlene Streeruwitz: Geschlecht. Zahl. Fall. – Vorlesungen 2021

Marlene Streeruwitz Geschelcht Zahl Fall Cover Verlag S.Fischer

Überraschende und aktuelle Analysen von Marlene Streeruwitz

Marlene Streeruwitz hat lange kämpfen müssen. Von Marcel Reich-Ranicki wurde sie im Literarischen Quartett attackiert, vom Publikum lange übersehen. Dabei hat die inzwischen 70-Jährige mit ihren Texten stets erreicht, was sie beabsichtigte: unsichtbare Machtverhältnisse offenlegen, den Diskurs anfachen, scheinbare Wahrheiten anzweifeln. Vor allem mit ihren Poetikvorlesungen u. a. in Frankfurt und Tübingen hat Marlene Streeruwitz Standards gesetzt. In ihrem neuen Buch stellt sie sich aktuellen Fragen: Was bedeutet Literatur in Zeiten von Trump, Lockdown und weltweiter Pandemie? Welche Rolle spielen Sprache und Macht? Ihr Ziel sei es herauszufinden, auf welchen Sätzen und Wortbrocken ein Schicksal beruht, sagt Streeruwitz.

Marlene Streeruwitz und die Shampoo-Markenbotschaft

Marlene Streeruwitz Geschelcht Zahl Fall Cover Verlag S.Fischer

Mit der grammatikalischen Grundformel „Geschlecht. Zahl. Fall“ bricht die Österreicherin die Bedingungen und Grenzen unseres Sprechens herunter. Das Buch versammelt die Mitschrift ihrer Vorlesung im Frühjahr 2021, mit der sie die neu gegründete Joseph-Breitbach-Poetikdozentur eröffnete. Präzise analysiert sie darin, wie Herrschaft über Sprache hergestellt wird und unser Denken regiert. Erstaunlich, wie sie im Kapitel „Das Ende der Kultur und die Auslegungen“ anhand der Shampoo-Markenbotschaft „Für feines und kraftvolles Haar“ den die „genau entgegengesetzt angeordneten Bedeutungen“ dieses Präpositionalgefüges entlarvt. Dieses Herstellen von Ungenauigkeit zur Verhinderung eines messbaren, konkreten Versprechens, zur Verschiebung der Verantwortung an die Gebrauchenden dient ihr als Brücke zur Beschreibung der vagen Versprechungen der Pandemievorgaben. Dabei führt Streeruwitz neben einer detaillierten Sprachanalyse ebenso persönliche Wahrnehmungen an. So gelingt es ihr, nachvollziehbar zu bleiben und den Gedankenhorizont zu dehnen.

Aktuelle Analysen

Im letzten Kapitel sind die Koblenzer Gespräche mit dem Theaterintendanten Markus Dietze abgedruckt. Darin geht es unter anderem um das Zusammenspiel von Sinnlichkeit, theoretischem Wissen und Literatur, die dem Leser ein höheres Sprachbewusstsein sowie ein kritischeres Verhältnis zur außerliterarischen Realität lehren kann. Das Ziel: Personen und Dinge „in den Plural setzen“, um althergebrachte Dichotomien zu durchbrechen. Streeruwitz bietet Analysen an, die blitzgescheit und überraschend sind. Die aktueller nicht sein könnten und endlich die Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdienen.

Marlene Streeruwitz: „Geschlecht. Zahl. Fall. – Vorlesungen 2021“, S. Fischer, Hardcover, 144 Seiten, 978-3-10-397114-9, 22 Euro. (Beitragsbild: Buchcover)

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