Marissa Nadler und Death Vessel live in Hamburg – Konzertreview

60 Minuten voller Gnade, eine kleine Nachtmusik mit Marissa Nadler

von Gérard Otremba

Die amerikanische Songwriterin Marissa Nadler verwandelt auf ihren Alben wie kaum eine andere Sängerin morbide Themen in anmutige Schönheit. Bei ihrem Konzert am 27. April 2014 im Hamburger Aalhaus spielt die 33-jährige Sängerin poetische Songs voller Charme.

Death Vessel mit Neo-Folk-Rock im Vorprogramm

Es ist eine logistische Herausforderung für die amerikanische Band Death Vessel im Hamburger Aalhaus. Viel Platz bietet die Bühne nun wahrlich nicht und neben Sänger, Gitarrist und Songwriter Joel Thibodeau nehmen noch ein weiterer Gitarrist, ein Kontrabassist, eine Keyboarderin, eine Violinistin und eine Schlagzeugerin dort oben Platz. Doch das Zusammenrücken lohnt sich. In der guten halben Stunde, die Death Vessel als Support für Marissa Nadler in der Musikkneipe in Altona auftreten, spielt die Band einige ganz wunderbare Neo-Folk-Rock-Songs, mal im Uptempo, mal als Lullaby-Ballade, aber immer schön detailverliebt und filigran, mit Harmoniegesängen und Neil Young-Einflüssen. Die markant hohe, sehr weibliche Stimme von Joel Thibodeau gibt den Songs den gewissen Extra-Reiz.

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Foto: Bella Union / PIAS

Marissa Nadler und die Songs ihrer neuen Platte July

An Reizen fehlt es der Musik von Marissa Nadler wahrlich nicht. Ähnlich wie bei ihrer englischen Kollegin Laura Marling sind die Songs der in Boston lebenden Marissa Nadler einer versponnenen Ästhetik gehuldigt und fast zu schön, um wahr zu sein. Im Mittelpunkt ihres Gigs im Aalhaus stehen die Lieder des neuen, im Februar bei Bella Union erschienenen Albums July. Dient „1923“ noch der Stimmfindung, evoziert Marissa Nadler in „Dead City Emily“ eine schmerzhafte, düstere Stimmung, die von ihrem Gitarrenspiel und den beiden Begleiterinnen an Cello und Viola auf dramatische Weise unterstützt wird. Das anschließende „Firecrackers“ bewirbt sich jetzt schon um den Preis des schönsten Songs des Jahres. Nadlers ätherische, klare Stimme, das sanfte Spiel der akustischen Gitarre, die Backing Vocals, alles so zart und unglaublich zerbrechlich, verträumt und intensiv. Genauso wie das später vorgetragene „I‘ve Got Your Name“ ist „Firecrackers“ von einer makellosen Schönheit durchdrungen, die man immer wieder aufs Neue preisen muss.

Marisa Nadler verbeugt sich vor Townes Van Zandt und Bruce Springsteen

Dass es auch mal leicht schräg und abgefahren sei darf, zeigt die Performance der Songs „Anyone Else“ und „Was It A Dream“, die von Cello und Viola eine höchst dramatische Note erhalten. In „We Are Coming Back“, „Drive“, Desire“ und drei älteren Stücken steht jedoch wieder die entrückte Erhabenheit, die ergreifende Andacht, die sinistere Schönheit im Vordergrund. (Kammer-)Pop von einem anderen Stern. In einem kleinen Medley verbeugt sich Marissa Nadler mit „Tecumseh Valley“ und „I’m On Fire“ zwei der größten amerikanischen Songwritern, Townes Van Zandt und Bruce Springsteen. Der Auftritt dauert nur 60 Minuten, aber er strahlt noch Stunden später.

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