Manfred Maurenbrecher: Menschen machen Fehler

Manfred Maurenbrecher Menschen machen Fehler Cover Reptiphon

von Werner Herpell

„Menschen machen Fehler“ ist das Motto des neuen Albums von Manfred Maurenbrecher. Seine Lieder sind oft melancholisch, aber selten milde. Und große Songdichter-Kunst.

Für einen Songdichter, den man durchaus als deutschsprachige Variante der großen Skeptiker Randy Newman, Leonard Cohen und Ray Davies bezeichnen kann, klingt der Titel von Manfred Maurenbrechers neuem Album fast schon altersmilde: „Menschen machen Fehler“, na klar, kann man halt nix machen, also immer nur weiter… Aber ganz so gelassen, gar gnädig ist er natürlich noch lange nicht (und wird es vermutlich nie sein), dieser seit 40 Jahren aktive Liedermacher, Pianist und Sänger mit der Rabenstimme.

Manfred Maurenbrecher: Wortmächtig und weltklug

Manfred Maurenbrecher Menschen machen Fehler Cover Reptiphon

Und so teilt Maurenbrecher auch auf seinem 23. Album wieder wortmächtig und weltklug aus, ohne es an der für ihn so typischen

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Melancholie und Empathie und nicht zuletzt an Humor mangeln zu lassen. Das Ergebnis ist ein wunderbares Alterswerk, das einen März mit erstklassiger deutscher Popmusik, von AnnenMayKantereit über Niels Frevert, Herbert Grönemeyer bis zu Tristan Brusch, beschließt – und sogar krönt.

Die zwölf „Menschen…“-Lieder hat Produzent Andreas Albrecht einladend opulent arrangiert, so dass der inzwischen 72-jährige Berliner nun aber endlich mal aus der Nische des „Geheimtipps auf Lebenszeit“ (so die FAZ schon 1992) herauskommen sollte. Andererseits: Menschen machen halt Fehler. Deshalb wird Maurenbrecher für die breite Menschen-Masse wohl nie ein so großer Liedermacher-Star wie Reinhard Mey, Heinz Rudolf Kunze oder Konstantin Wecker werden – wer seinen knarzigen Stil aber kennt, der liebt ihn umso mehr.

Wehmütige Gedanken über „Musik“

Für diese Eingeweihten hält der vielfach ausgezeichnete Kritikerliebling neue Songjuwelen bereit, die das Private und das Politische kongenial verbinden. In „Musik“ macht er sich kluge, trotzige, auch wehmütige Gedanken über die eigene Zunft – mit dem Ergebnis, dass letztlich weder Taliban noch Spotify die Musik totkriegen können. Auch „Litfaßsäule“ ist so ein liebevoll nostalgisches Erinnerungsstück, das bis zu den Zeiten zurückreicht, als Maurenbrecher auf besagter „dicker Säule“ eine Plakatankündigung für seine Musikhelden entdeckte  („Die Kinks auf einer Litfaßsäule/jetzt ham se sich verkauft“).

Das Titelstück mit diversen Beispielen menschlicher Pleiten und Pannen hat einen wunderbaren Mitsing-Refrain – und ist dabei „ein Lied, in dem die Waagschalen gleichstehen zwischen Wahn und Vernunft, Katastrophe und Fortschritt“, wie Maurenbrecher in seinen „Am Rande bemerkt“-Albumnotizen klarstellt. „MoMiDo“ (über den Trend zu einer besseren Work-Life-Balance) klingt ein bisschen albern, ist aber sehr zutreffend beobachtet. „Zug“ könnte ein Gutenachtlied für einen Enkel sein, so zärtlich klingt das. Ebenso das abschließende „Am Fluss“, ein gospeliger Pianopop-Song mit Öko-Botschaft – Maurenbrecher lebt zeitweise in einem Dorf an der giftverseuchten Oder.

Politische Lieder zu Ukraine und Iran

Und dann sind da natürlich noch die eindeutig zielgerichteten politischen Lieder. „Frieden im Krieg“ dürfte, zumindest in Songform, die bisher ambitionierteste Auseinandersetzung mit der deutschen Ukraine-Debatte – zwischen endlosen Waffenlieferungen und gen Moskau gehissten weißen Fahnen – sein. Maurenbrecher versteht sich gewiss weiterhin als Linken, aber: „Hilflos trifft es nicht ganz, wenn’s um meine Haltung zum Überfall der russischen Armee auf die Ukraine geht“, schreibt er und betont: „Dass hier etwas Unwiderrufliches passiert ist, aussichtslos, es wegzureden. Fadenscheinig das „Friedens“-Gefordere hiesiger Zeitgenossen prompt immer dann, wenn der überfallenen Nation beigestanden werden könnte – aber nie, weil der Angreifer weiter bombt und treibt, was ein Kriegsherr eben so treibt.“

„Wann seid ihr frei?“ fasst den mutigen Überlebenskampf der iranischen Frauen (und zum Glück auch vieler Männer) gegen das sie brutal unterdrückende Mullah-Regime in berührende Worte. Maurenbrecher stößt sie herb und knarrend hervor, aber voller Mitgefühl und Verzweiflung, begleitet von der sanften Berliner Sängerin Réka. Als aktuellstes Stück im November 2022 unter dem Eindruck furchtbarer Fernsehbilder entstanden, sei es ein „kleines Zeichen unserer hilflosen Solidarität“.

Manfred Maurenbrecher mit Ironie und Ekel

„Wahn“ nimmt zu einer beschwingten Melodie mit verschmitzt-ironischem Wortwitz die Schwurbler und Verschwörungsmythen-Verbreiter der Corona-Zeit auf die Schippe. Direkt danach macht Maurenbrecher in seinem „Rundumschlag“ manchem Ekel ob der Zeitläufte Luft – über tödliche Begegnungen von Lkw und Radlerin, über „Lifestyle-Linke“ und „ordnungsgeile Kampfschreiber-Herrlichkeit“. Fazit des Grummlers: „Die Welt ist ein in Brand geratener Garten.“ Dazu eine Mundharmonika wie bei Bob Dylan.

Menschen machen Fehler. Und Manfred Maurenbrecher macht immer noch monumentale Songschreiber-Kunst. Junge Fans von Danger Dan („Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“) dürfen bei der Suche nach wichtigen Vorläufern ihres Idols gern hier anfangen.

„Menschen machen Fehler“ von Manfred Maurenbrecher ist am 31.03.2023 bei Reptiphon/Broken Silence erschienen.

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