Maike Rosa Vogel: Unvollkommen

Grandioser Liedermacher-Folk von Maike Rosa Vogel

von Gérard Otremba

Erstaunlich genug, daß sich eine junge Frau mit einer Gitarre vor ein Publikum stellt und zu singen anfängt. Aber dann auch noch mit deutschen Texten? Hier traut sich jemand was. Und das aus gutem Grund. Denn Maike Rosa Vogel besitzt die Gabe, poetische Texte mit kongenialer Musik zu vereinen.

„Das mutigste Mädchen der Welt“ als Schlüsselsong des Folk-Albums „Unvollkommen“

Vor gut 18 Jahren schrieb Bernadette Hengst für ihre damalige Band Die Braut haut ins Auge den Song Der langweiligste Junge der Welt. Ob die in Frankfurt aufgewachsene und nun in Berlin lebende Musikerin Maike Rosa Vogel dieses Lied schon einmal gehört hat, ist nicht überliefert. Jedoch besingt Frau Vogel auf ihrem neuen Album „Das mutigste Mädchen der Welt“. Vielleicht Zufall, vielleicht eine Art Antipode zum Song von Bernadette Hengst, auf jeden Fall ein Schlüsselsong im neuen Liedreigen Maike Rosa Vogels. Die Selbstreflexion im Angesicht anderer, scheinbar idealisierter Frauen, die nur darauf hinausläuft, „das zu sein was ich bin: einfach ich“. So einfach und manchmal doch so schwer.

Maike Rosa Vogel und die Hilfe von Element of Crime

Wie der Plattentitel „Unvollkommen“ bereits impliziert, will Maike Rosa Vogel gar nicht anders sein und verteufelt nicht ganz zu unrecht die stilisierte, Perfektionismus heischende Scheinwelt der Werbe- und Modewelt. Nicht umsonst heißt es in „Ich bau mir ein Zelt“:

„Und Menschen die sich nicht/Besonders mögen/ Sind einfach viel mehr/ Ein Teil der blöden/ Schaufenster und der/ Versprechungen darin/ Und ich mag die Fenster/ Aber nicht/ Die Versprechen die ich find/ Aber ich mag das Drumherum“.

Und das alles verziert mit viel Percussion von Element of Crime-Schlagzeuger Richard Pappik und Trompete von Sven Regener, der dieses Album mit aller Obhut auch produziert hat. Der Geiger Christian Komorowski, ebenfalls durch die letzte Element of Crime-Platte bekannt, veredelt mit seinem Spiel Songs wie „Deine Haut“ und „Er sagte“.

Das Highlight „Die Mauern kamen langsam“ und der Protestsong „Faule Menschen“

„Unvollkommen“ ist schlichtweg eine fantastische Folk-Platte. Da ist das von der akustischen Gitarre angetriebene und mit einem Mundharmonika-Einsatz Neil Youngscher Prägung versehene „Die Mauern kamen langsam“, ein absolutes Highlight des Albums mit dem wunderbaren Refrain: „Sie scheiterte an einer Welt, die sie nicht verändern wollte/Und sie will nicht sehen, daß ihr Scheitern/Teil eines großen Scheiterns ist/Und daß sie scheitern sollte“. Die zart-traurige Piano-Ballade „Alle meine Träume wahr“ und die große Anklage „Faule Menschen“. Ein kompromißloser Text, wie sonst von Hans Söllner bekannt. Die Abrechnung mit herzlosen Besserwissern, die Terroristen, Aufsichtsratsvorsitzende, Kommunisten oder Analysten werden, „aber zu faul sind, ihr Herz in diese Welt zu tragen“.

Die Träume und Sehnsüchte der Maike Rosa Vogel

Das Herz und die Welt gehören zu den textlichen Leitmotiven Maike Rosa Vogels. Ihre berührenden Träume, Sehnsüchte und die nötige Portion Menschlichkeit machen die Texte von „Unvollkommen“ so hören- und lesenswert. Die vielleicht wichtigsten Zeilen gelingen Maike Rosa Vogel in „Kann ich bleiben?“: „Ich bin nicht dieses Land/Ich bin diese Welt/Kann ich bleiben?“ Maike Rosa Vogel sprengt Grenzen und hat das universelle Denken verinnerlicht. Eine Art des Denkens, die zur Nachahmung dringend empfohlen wird. Und ja, Maike Rosa Vogel kann bleiben und darf auf diesem Wege so weitermachen.

„Unvollkommen“ von Maike Rosa Vogel ist im April 2011 bei Our Choice/Rough Trade erschienen.

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