Lisa Owens: Abwesenheitsnotiz – Roman

Unterhaltsamer Roman über die Twenty-Something-Generation

von Gérard Otremba

Claire Flannery ist Ende 20 und benötigt eine Auszeit. Unzufrieden mit ihrem Job, kündigt sie ihn und begibt sich auf die Sinnsuche ihres Lebens. Damit ist der Plot von Abwesenheitsnotiz (im englischen Original: Not Working) in aller Kürze beschrieben. Doch für Claire beginnt die eigentliche Krise eben just mit der beruflichen Freiheit. Die Beziehung zu ihrem Freund Luke, einem Assistenzarzt der Hirnchirurgie, zeigt nach sieben Jahren einige Risse, die Eifersucht auf eine ihr unbekannte Kollegin Lukes nagt an ihr. Auf der Beerdigung ihres Großvaters lässt Claire eine nicht ganz ernst gemeinte Bemerkung über den Verstorbenen los und sorgt dafür, dass ihre Mutter sie ab sofort mit Nichtachtung bestraft.

Claire Flannery ist eine typische Vertreterin der Prokrastinations-Generation. Von ihrem direkten Umfeld ständig nach ihrer Jobsuche befragt, schiebt sie die Entscheidung entschieden vor sich her, sich bewusst, nicht einen neuen Job des Jobs-Willen annehmen zu wollen, nur um wieder in die gesundheitsgefährdende Falscher-Job-Schleife zu geraten. Obwohl sie manchmal zur Larmoyanz neigt und sich im Bridget Jones-Stil mit Süßkram vor dem Fernseher/DVD-Player wiederfindet, beschreibt Lisa Owens Claire als eine sympathische Person, die mit allen ihren Abwägungen nicht zaudernd, sondern überlegen wirkt, trotz verständlicher Zweifel am eigenen Tun („Mag sein, dass ich im traditionellen, büroverhafteten Sinn nicht den ganzen Tag arbeite, aber ich bin trotzdem Mensch, der sich bemüht und irgendwo ankommen will.“).

Claire Flannery ist der (zeitweilige) Gegenpol zur postmodernen Leistungsgesellschaft, mit dem Blick für die Selbstverwirklichung.  Sie nimmt sich Zeit für Alltagsbeobachtungen und macht sich ihre Gedanken dazu. Lisa Owens unterbricht zwar mit diesen kleinen Randnotizen den Erzählfluss, die einzelnen Kapitel sind selten länger als zwei oder drei Seiten, darauf muss man sich einstellen können, fügt der Geschichte jedoch interessante Aspekte hinzu, die zwischen Komik und Verwunderung changieren. So findet man unter der Überschrift „Fortschritt“ folgende Zeilen: „Mehr als vierzig Jahre sind vergangen, seit der Mensch den Mond betreten hat, aber eine wirklich brauchbare Alternative zu Brot gibt es immer noch nicht.“ Unter „Hm“ ist zu lesen: „Unglaublich, denke ich, während ich dabei zusehe, wie unsere guten weißen Handtücher in der Waschmaschine langsam rosa werden. So was passiert also tatsächlich auch heute noch.“ Und in „Listen“: „Für den Fall, dass mir ein risikofreudiger Millionär über den Weg laufen sollte, befindet sich auf meinem Handy eine Liste mit Geschäftsideen. Bislang steht dort: 1. Schwarze Milch (für Goths?).

Aus diesen Impressionen sowie einigen interfamiliären Dialogen ist der Roman Abwesenheitsnotiz gestrickt. Sie helfen Claire bei der notwendigen Selbstfindung und dem Leser beim besseren Verstehen der Protagonistin. Die englische Autorin Lisa Owens hat mit ihrem Debütroman Abwesenheitsnotiz ein witziges und charmantes Abbild der Twenty-Something-Generation geschrieben. Ein Roman, der mit Gender-Klischees spielt, gut unterhält und zum Nachdenken anregt.

Lisa Owens: „Abwesenheitsnotiz“, aus dem Englischen übersetzt von Brigitte Jakobeit und Karen Witthuhn, Piper Verlag, Hardcover, 288 Seiten, 978-3-492-05747-9, 18 €.

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