Lindsey Buckingham – Lindsey Buckingham

Lindsey Buckingham credit Lauren Dukoff

Der Ex-Fleetwood-Mac-Gitarrist Lindsey Buckingham kehrt mit einem sehr guten Album als Solist zurück

Zehn Jahre nach Erscheinen seiner letzten Soloscheibe „Seeds We Sow“ veröffentlicht der 71jährige Sänger wie Gitarrist Lindsey Buckingham, der sich einst mit seiner Ex-Flamme Stevie Nicks als Buckingham/Nicks für die schwächelnden Blues-Briten Fleetwood Mac empfahl und diese Formation anschließend in unfassbare kommerzielle Höhen sowie beziehungstechnische Abgründe schoss, nach überstandener, lebensbedrohlicher Herzerkrankung kommenden Freitag ein neues, schlicht mit seinem Namen betiteltes Album. Und (Spoiler): Es ist sehr gut! Zehn neue Stücke sind drauf, das längste dauert gerade einmal viereinhalb Minuten. Kurz und knackig: Das kann der Studio-Buckingham ausgesprochen gut, während er live auch gerne mal mehr aus dem Vollen schöpft.

Die Lindsey-Buckingham-Trademarks

Lindsey Buckingham Cover Reprise Records

„On The Wrong Side“ hat die Jahresangabe (2021) in Klammern hinter dem Titel stehen, weil Buckingham in den Neunzigern für den Soundtrack einer cineastischen Nullnummer namens „With Honors“ bereits einen Song mit dieser Bezeichnung veröffentlicht hat, man findet ihn auf dem gleichnamigen Soundtrack unter Beteiligung von Kolleg:Innen wie Mudhoney, Kristin Hersh oder Madonna. Das aktuelle, neue Stück ist das dritte auf der neuen Scheibe und folgt zwei weiteren Songs, die ebenso wie dieser alle Trademarks in sich vereinen, die Buckingham als Songwriter sowie Performer auszeichnen und nicht unwesentlich zum gigantischen Erfolg der runderneuerten Fleetwood Mac in den Siebzigern beigetragen haben: Dynamischer Songaufbau, dramatische Chöre oder Stimmverdopplung – dazu ein glasklares Gitarrenspiel zwischen Fingerpicking und exaltiertem Gegniedel, immer im handlich-poppigen Drei-Minuten-Format bleibend und damit eine deutliche Abkehr darstellend zu den anderen Rock-Dinos der damaligen Zeit sowie zu seinem legendären Vorgänger bei The Mac, dem Bluesmeister Peter Green.

Und damit auch für Fans damals aktueller Sounds wie Punk oder New Wave vermittelbar. Sein modisches Auftreten unterschied sich ebenso spätestens ab 1980 massiv von der esoterisch-hippiesken Erscheinung seiner Partner:Innen. Die zwischenmenschlichen Reibungen dieser Formation sind Legende, Rauswürfe prominenter Mitwirkender sowie deren Wiedereinstellung zeugen davon. Buckingham ist, leider, seit Jahren mal wieder raus und wurde dafür (abermals) von gleich zwei Gitarristen ersetzt; darunter geht es wohl bei ihm nicht.

Kein Ratgeber in zwischenmenschlichen Dingen

Der frisch geschiedene Buckingham arbeitet sich in seinen neuen Songs an seinen Beziehungen ab, welche genau bleibt unklar – in der Tradition seines Schaffens mit Fleetwood Mac könnte es natürlich Stevie Nicks sein, deren Ultimatum („Einer von uns muss gehen“) dafür gesorgt haben soll, dass sie noch Teil von The Mac ist und er eben nicht. Als Ratgeber in zwischenmenschlichen Dingen sollte man „Lindsey Buckingham“ vielleicht eher weniger verstehen – als Standortposition zwischen Melancholie, Frust oder Trotz schon eher.

Im Wechselbad solcher Gefühle verzeiht man auch den naheliegenden Impuls, einen persönlichen Klassiker seiner Jugend covern zu wollen –  „Time“ (1966) von den Pozo-Seco Singers (ein Folk-Trio mit der späteren Country-Ikone Don Williams), dessen zweifellos vorhandener Charme im Original sich, losgelöst aus der naiven Blumenkinderära, schwierig übertragen lässt auf heutige Zeiten, in denen man nicht selten das Jammern über Vergangenes von alt gewordenen Männern ertragen muss. Ein kleiner Einbruch im Fluss dieser bis dahin hochklassigen Scheibe, der noch schlimmer erscheint wenn man nicht weiß, dass es sich hier um ein Cover handelt.

Lindsey Buckingham bringt seine Klasse zur Blüte

Ein besonderes Highlight dagegen stellt „Swan Song“ dar, in der Buckingham (der alle Instrumente auf dieser Platte selbst einspielte) seine Klasse als Sänger, Gitarrist sowie Arrangeur besonders zur Blüte bringt mit Schwenkern Richtung Flamenco, House-Beats, Chören und der trotzigen Erkenntnis „the futures looking bright“. Geht doch. Nicht ohne Grund wird Buckingham von modernen Bands für Gast-Beiträge angefragt – The Killers spendierte er ein Solo für „Caution“, Halsey auf ihrer aktuellen Scheibe ein bisschen fingerpicking bei „Darling“.

Dass die Solo-Scheiben Buckinghams, gerade außerhalb der USA, bei so vielen potentiellen Hörer:Innen unterhalb des Radars liegen ist sehr schade und wird dem ewig unterschätzten Erneuerer bei Fleetwood Mac in keinster Weise gerecht – sein neues Album zeugt einmal mehr davon. Beworben wird der Dreher 2022 mit einer kleinen Tour, die ihn am 28.5. in Deutschland leider nur nach Berlin führen wird.

„Lindsey Buckingham“ von Lindsey Buckingham erscheint am 17.09.2021 bei Reprise / Warner Music. (Beitragsbild von Lauren Dukoff)

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