Lewis Grassic Gibbon: Wind und Wolkenlicht

Lewis Grassic Gibbon Wind und Wolkenlicht Cover Guggolz Verlag

Auch „Wind und Wolkenlicht“, der zweite Teil der in den frühen 1930er-Jahren veröffentlichten Trilogie „A Scots Quair“ zeigt Lewis Grassic Gibbon als Meister seines Fachs

Als 2018 „Das Lied vom Abendrot“ in der Übersetzung von Esther Kinsky im Berliner Guggolz Verlag erschien, schlug es mit aller Macht ein, wie meine Rezension für Sounds & Books beweist und fand sich sogar auf Platz 5 der Liste der besten Bücher des Jahres wieder. Nun hat Kinsky auch die Fortsetzung und den zweiten Teil „Wind und Wolkenlicht“ von Lewis Grassic Gibbons Trilogie A Scots Quair, im Original („Cloud Howe“) 1933 erschienen, ins Deutsche übertragen. Lewis Grassic Gibbon ist das Pseudonym von James Leslie Mitchell (1901-1935), dessen Erzähl- und Prosa-Essay-Band „Szenen aus Schottland“ wir ebenfalls im Programm hatten.

Der immer noch populäre Lewis Grassic Gibbon

Lewis Grassic Gibbon Wind und Wolkenlicht Cover Guggolz Verlag

Der schottische Schriftsteller erfreut sich in seiner Heimat nach wie großer Popularität, wie die Auszeichnungen zum „Lieblingsbuch der Schotten“ (2016) sowie zum „beliebtesten schottischen Roman aller Zeiten“ (2005) für „Das Lied vom Abendrot“ zeigen. „Wind und Wolkenlicht“ knüpft zeitlich nahtlos an seinen Vorgänger an und stellt das Leben seiner Hauptfigur in den 1920er-Jahren in den Mittelpunkt. Mit ihrem Gemahl und Pastor Robert Colquohoun sowie dem Sohn aus erster Ehe zieht die emanzipierte Protagonistin Chris aus dem Dorf in die nächstgelegene Kleinstadt. In Segget werden die Neuankömmlinge misstrauisch empfangen und treffen auf eine von Vorurteilen und Klatsch geprägte Bevölkerung. Das Leben hat es bereits im ersten Teil nicht immer gut mit Gibbons Hauptfigur gemeint, und auch am Ende von „Wind und Wolkenlicht“ wartet ein persönlicher Schicksalsschlag auf Chris.

Lewis Grassic Gibbon zwischen Ernsthaftigkeit und Humor

Zwischen diesem privaten Drama und gesellschaftlicher Veränderung begleitet Lewis Grassic Gibbon in diesem ebenfalls vortrefflichen Roman seine weibliche Hauptfigur erneut auf empathische Art und rückt seine linken Ansichten mit der Person Roberts sowie der Präsenz der Labour-Party weit mehr in den Vordergrund, als noch im ersten Band „Lied vom Abendrot“. Gibbon schaut seinem schottischen Volk aufs Maul und nicht selten meint man, in den beschriebenen Schotten, die sich gegenseitig nur allzu oft als „Dösel“ bezeichnen, die Ostfriesen Großbritanniens zu sehen.

Bei aller Ernsthaftigkeit der von Gibbon gewählter Thematiken um das Leben von Chris und ihrer Familie in einer neuen Umgebung, bleibt der Humor nicht auf der Strecke („Am Sonntag nach der Prügelei bei Smithie, da bezog er wieder dort Stellung, wo der Engel stand, MacDougall persönlich mit seinem flachen kahlen Schädel, und neben ihm seine Gattin, ein schweres dösiges Trampel, sie kam aus dem Süden, und ihre Aussprache war breit wie ein Elefantenhintern, sagte Ake Ogilvie.“).

Ein überragender Erzähler

Sie lieben und sie zoffen sich, die bodenständigen Schotten. Und zeigen in den Personen von Chris und Robert Haltung gegenüber dem Kapitalisten Mowat, der sich mit einer Organisation in von der Labour-Party geplante Streiks einzumischen droht. Lewis Grassic Gibbon war ein überragender Erzähler, der stilsicher zwischen privater Tragikomödie und gesellschaftlicher Relevanz pendelte und das Herz auf dem richtigen Platz trug. Ein literarischer Genuss.

Lewis Grassic Gibbon: „Wind und Wolkenlicht“, Guggolz Verlag, aus dem schottischen Englisch von Esther Kinsky, Hardcover, 340 Seiten, 978-3-945370-32-2, 26 Euro. Beitragsbild: Buchcover  

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