Last Train: III – Albumreview

Last Train Credit Remi Gettliffe

Last Train kanalisieren ihre Wut zu einem Meisterwerk aus atmosphärischen Klangwelten und brennender Leidenschaft.

von Sven Weiss

“We were pissed off!” So beschreibt Gitarrist Julien Peultier den Ausgangspunkt des neuen Albums seiner Band Last Train. Und das ist ja nun mal nicht die schlechteste Grundlage, um ein ordentliches Rockalbum abzuliefern. Eineinhalb Jahre pandemiebedingte Tourpause – das hatte der Band, die es gewohnt war, allabendlich in einem stickigen Club ihr Innerstes aus dem Leib zu reißen, zugesetzt. Den ganzen Ärger, die ganze Frustration darüber wollten die Franzosen auf ihr Album bannen.

Last Train hätten nun gut 40 Minuten Vollgasrock abliefern können, und es wäre wahrscheinlich kein schlechtes Album geworden. Aber so einfach machten es sich die vier Musiker aus Lyon nicht. Natürlich gibt es die Dampfhammerriffs, die krachenden Drums, und Sänger Jean-Noël Scherrer  spuckt dem Hörer so manche Zeile wie ein dreckiges Stück Verzweiflung ins Gesicht. Aber was dieses Album zu einem Erlebnis macht, sind seine teils atemberaubenden Kontraste. Es wechselt ständig seinen Farbton, spielt mit Dynamiken, die sich unaufhörlich verschieben, drehen und wenden. So lassen Last Train den Hörer stets im Ungewissen, was als nächstes passieren könnte.

Wie ein Messer durch dünnen Stoff

Last Train III Albumcover PIAS

Bereits der fulminante Opener „Home“ zeigt diese Zerrissenheit perfekt auf. Ein dumpfer Beat ist die Basis, auf der Scherrer eine Melodie legt, die fast ein wenig naiv klingt. Aber eben nur fast. Denn plötzlich zerschneidet ein einzelner Gitarrenschlag die scheinbare Harmonie. Ein paar Sekunden später der nächste – und zwar völlig gegen den Rhythmus. Als ob ein Messer durch dünnen Stoff dringen würde, der uns vor etwas schützt, von dem wir nicht wissen, was es ist – nur dass es nichts Gutes ist.

Der Stoff wird im Laufe des Albums zahlreiche Risse erhalten, aber niemals ganz zerfleddern. Das ist der geniale Kniff, mit dem Last Train den Hörer wie gebannt ihren Wut-Elegien folgen lassen. Kaum lassen sie mit „The Plan“ eine Soundlawine auf den Hörer los, folgt ein melancholisches Klavierstück, das mit seinem Kopfstimmengesang sogar an Tame Impala erinnert. Den Gitarreneruptionen in „This Is Me Trying“ wiederum schließt sich das atmosphärische „Revenge“ an. Der ungestüme, rohe Drive, der die Band im Kern ausmacht, wird nie sich selbst überlassen, sondern eingebettet in intelligente Arrangements. Und das ist einfach verdammt gut gemacht.

Die Wut von Last Train steigert sich im Laufe des Albums

Im Laufe des Albums scheint sich auch die Wut der Band zu steigern. Abzulesen sehr schön an den Songtiteln. So startet man mit „Home“ ins Album, dem „The Plan“ folgt. Am Ende der Reise heißen die Stücke dann „You’ve Ruined Everything“ und – fast schon zu viel des Klischees – „I Hate You“. Vorwerfen könnte man der Band höchstens, dass sie manchmal klingt wie eine Garagenrockversion von Nine Inch Nails – insbesondere da Scherrers Stimme in den aggressiveren Parts sehr an Trent Reznor erinnert. Aber das ist ja nicht die schlechteste Referenz. Apropos Referenzen: Mit Placebo und Muse war die Band bereits auf Tour. „III“ dürfte das Standing von Last Train weiter festigen. Und damit Frankreich noch etwas stärker auf der Indierock-Landkarte verankern.

„III“ von Last Train erschient am 31.01.2025 bei PIAS France. (Beitragsbild von Remi Gettliffe)

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