Kurz und gut: Verborgenes Hamburg, Jean Cocteau und Frank Witzel

Rike Wolf Verborgenes Hamburg Cover Jonglez Verlag

Die Bücher „Verborgenes Hamburg“ von Rike Wolf, „Thomas der Schwindler“ von Jean Cocteau und „Inniger Schiffbruch“ von Frank Witzel in der Kurzkritik bei Sounds & Books

Rike Wolf: Verborgenes Hamburg

Rike Wolf Verborgenes Hamburg Cover Jonglez Verlag

Die in Hamburg geborene Autorin Rike Wolf stellt ihre Heimatstadt abseits des Mainstreams vor. In ihren Reiseführer „Verborgenes Hamburg“ widmet sie sich auf über 300 Seiten 149 zumeist unbekannten Winkeln der Millionenstadt an der Elbe. Das Buch ist nach Bezirken in fünf Kapitel aufgeteilt, denen Stadtplanausschnitte mit nummerischen Zuordnungen der präsentierten Sehenswürdigkeiten vorangestellt sind. Rike Wolf widmet jedem Objekt eine Doppelseite mit Foto links und Text rechts. Historische Details, Anekdoten und Anmerkungen prägen ihre informativen Texte. Dieser Reiseführer eignet sich nicht nur hervorragend für Touristen, die Hamburg von einer anderen und ungewöhnlichen Seite kennenlernen möchten, sondern auch für Neu-Hamburger, die sonst womöglich an vielen im Buch angeführten Stellen unwissentlich vorbeischlendern. Die MS Stubnitz und „Der Alte Schwede“ mögen vielleicht noch schnell selbst entdeckt werden, aber was es mit der „Innschrift auf dem Pegelturm“ auf sich hat, oder wo es zum „Dahliengarten“ geht, wahrscheinlich nicht. Hamburg mal ganz anders betrachtet.

Rike Wolf: „Verborgenes Hamburg“, Jonglez Verlag, kartoniert, 320 Seiten, 978-2-36195-408-6, 18,95 Euro (Beitragsbild: Buchcover)

Jean Cocteau: Thomas der Schwindler

Jean Cocteau Thomas der Schwindler Cover Manesse Verlag

Im 1923 erschienenen Roman „Thomas der Schwindler“ stellt Jean Cocteau den 16-jährigen Guillaume Thomas in den Mittelpunkt des Geschehens. Und wie es sich für einen Schwindler und Hochstapler gehört, macht er sich für alle anderen drei Jahre älter, nennt sich nach seinem Heimatort „Thomas von Fontenoy“, leiht sich eine Uniform und gibt sich unrechtmäßig als Neffe des berühmten Generals von Fontenoy aus. Er gewinnt sogar das Vertrauen einer Prinzessin, deren Tochter sich in ihn verliebt. Sein Schauspiel zieht er auch an der Front des Ersten Weltkriegs durch, wo er jedoch über seine eigene Selbstverliebtheit stolpert.

Der französische Schriftsteller, Dichter und Dandy verarbeitet in diesem Roman teilweise eigene Erfahrungen eines Frontbesuches und stellt der Kriegsrealität einen Schein und Sein vertauschenden Träumer entgegen. Stilistisch wandelt Cocteau hier stakkatoartig auf den Spuren von Stendhal und lässt Symbolismus auf Surrealismus prallen. Skurril-grotesker Witz trifft auf die Bewahrung des Ästhetischen in Zeiten des Krieges. Provokativ und zeitlos.

Jean Cocteau: „Thomas der Schwindler“, Manesse, übersetzt von Claudia Kalscheuer, Hardcover, 192 Seiten, 978-3-7175-2420-5, 20 Euro.

Frank Witzel: Inniger Schiffbruch

Der Tod des Vaters und ein Albtraum sind die Ausgangspunkte des neuen Romans von Frank Witzel, der  2015 für „Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969“ mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet worden ist. Das im Albtraum vorkommende, nun leerstehende Elternhaus gegenüber löst eine Erinnerungswelle in Witzels erzählendem Alter Ego aus. Er durchforstet den Nachlass der Eltern und fügt deren Notizbücher, Briefe und Fotos mit der eigenen Erinnerung zusammen, an die er immer auch Zweifel hegt. Aus der eigenen Familiengeschichte heraus entwirft Frank Witzel, Jahrgang 1955, sowohl ein exemplarisches Familienportrait der Nachkriegszeit als auch eine stilbildende Gesellschafts-Chronik der 60er-Jahre. Stilistisch eloquent, geistreich und mit philosophisch-intellektueller Müßigkeit lädt uns Witzel in seinen Erinnerungsstrudel ein. Mit diesem vorzüglich erzählten Roman festigt Frank Witzel seinen Ruf als einer der wichtigsten deutschsprachigen Autoren der Gegenwart.

Frank Witzel: „Inniger Schiffbruch“, Matthes & Seitz, Hardcover, 360 Seiten, 978-3-95757-838-9, 25  Euro.  

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