Die Sounds & Books-Reviews zu den am 12.04.2024 erscheinenden Alben von Nichtseattle, Tiflis Transit und Wolke
von Gérard Otremba
Die heutige „Kurz und gut“-Rubrik gehört Künstlern abseits des Mainstream, die so unterschiedliche wie faszinierende Alben aufgenommen haben. Ausgewählt habe ich Katharina Kollmann, aka Nichtseattle, mit „Haus“, das Debüt „A Thought Is Not A Feeling“ von Tiflis Transit sowie die Comeback-Platte „Wolke“ des Kölner Indie-Kammer-Pop-Duos Wolke.
Nichtseattle: Haus
Schlicht „Haus“ nennt Katharina Kollmann, aka Nichtseattle, ihr drittes, von Olaf Opal und Sönke Torpus produziertes Album. Alle zwölf neuen Songs erhalten einen in Klammern gesetzten Untertitel, der jeweils auf eine Behausung hindeutet. Das kann sich allerdings auch schon mal um einen Schirmpilz, ein Papierhaus, oder einen Türrahmen handeln. Es ist ja auch nicht ganz einfach mit dem Zuhause. Kollmanns Geschichten kreisen um Vereinsamung, schwierige Lebensumstände und nicht erfüllte Träume. Nichtseattle gehört zu den Musikkünstlern, die ihre Hörer fordern. So beginnt das Album gleich mal mit dem längsten, acht Minuten währenden Stück „Beluga (Eigentumswohnung)“ und nur die wenigsten Nichtseattle-Lieder dauern weniger als fünf Minuten.
Diese bahnen sich ohne Refrain und mit eigenwilligen Strukturen ihren Weg, mal mit einem Chor im Hintergrund, mal tauchen sanfte Bläser, mal ein Akkordeon auf. Singer-Sonwriter-Indie-Lo-Fi-Rock der besonderen Art. Mit großartigen wie dringlichen Songs (u.a. „Krümel noch da (Tagescafé)“, „Frau sein (Werkstatt)“, „Fleißig (Schloss)“) weit abseits des Mainstream.
„Haus“ von Nichtseattle erscheint am 12.04.2024 bei Staatsakt. (Beitragsbild von Sascha Schlegel)
Tiflis Transit: A Thought Is Not A Feeling
Noch jemand, der bewusst am gegenwärtigen Mainstream vorbeikomponiert. Okay, nicht so krass wie Katharina Kollmann, aber doch auch. Dieser Jemand heißt Fabian Till und sein Bandprojekt Tiflis Transit. Beim Reeperbahn Festival 2024 (Sounds & Books berichtete) sorgten Tiflis Transit für einen Einlass-Stop im Sommersalon und alle Anwesenden konnten sich schon mal von der Klasse dieser Band überzeugen. Dieses Live-Versprechen halten die Kölner mühelos auf ihrem Debütalbum „A Thought Is Not A Feeling“ ein. Acht Songs (+ eine „Interlude“) befinden sich darauf, acht Songs, die dem Songwriting der Seventies huldigen. Von den Beatles bis zu Steely Dan erinnern die Tiflis-Transit-Lieder, Indie-Songwriter-Pop mit Jazzigen Elementen, soulful, rhythmisch vertrackt und hochmelodiös.
Mit dem von S&B als Song des Tages vorgestellten, strahlenden wie umwerfenden „A.M.“ geht es los, weitere Highlights wie die melancholische Ballade „Two Out“, das kosmisch-poppige „The Fence“ oder die Westcoast-Anflüge von „Things That Don’t Work in RL“ folgen. Starker Einstieg ins Albumgeschäft.
„A Thought Is Not A Feeling“ von Tiflis Transit erscheint am 12.04.2024 bei Listenrecords.
Wolke: Wolke
Comeback-Album für Wolke. Zwölf Jahre nach dem letzten Album „Für immer“ meldet sich das Kölner Duo mit einem selbstbetitelten Album zurück. Noch immer konzentrieren sich Oliver Minck und Benedikt Filleböck auf Gesang, Piano, Bass und Drumcomputer als wesentliche Stilmittel, zusätzliche Streicher und Bläser setzen dezente Akzente. Wolke gelingt der Spagat zwischen Indie- und Kammer-Pop auch auf dem Comeback-Album ganz hervorragend. Wunderschöne, zu Herzen gehende Balladen wie „Vogel“, „Without You“ oder „Gloria“ bilden den Hauptanteil des Albums, flottere Indie-Songs wie „Elektrischer Reiter“ und „Herz auf Schmerz“ bringen zwischenzeitlich Schwung in den Laden. Letzteres mit Indie-Hit-Potential ausgestattet. Und sie covern sogar den Blur-Klassiker „Boys & Girls“, in einer mit deutschem Text und einer völlig entschleunigten, mit Psychedelic-Touch versehenen Version. Muss man sich auch erst mal wagen. Insgesamt ein ganz feinsinniges neues Werk, das die Freunde der Melancholie (und ein klein wenig der Euphorie) begeistern sollte.
„Wolke“ von Wolke erscheint am 12.04.2024 bei MusiKiste.