Die Sounds & Books-Reviews zu den neuen Alben von Ezra Collective, Joo Kraus und Efterklang
von Werner Herpell
Die mächtig angesagte, in viele Richtungen offene junge Londoner Jazz-Szene repräsentieren Ezra Collective nach ihrem Gewinn des Mercury Prize 2023 mit einem weiteren Meisterstück. Der Trompeter und Sänger Joo Kraus macht schon viel länger – nämlich seit über 30 Jahren – groovigen Jazz ohne Schubladen-Denke. Und – ganz andere Baustelle – die dänische Artpop-Band Efterklang findet mit ihrer neuen Platte zur gewohnten Form zurück. Drei sehr unterschiedliche, allesamt starke Alben für den beginnenden Herbst im Überblick.
Ezra Collective: Dance, No One’s Watching
Wer kennt das nicht – man möchte einfach drauflos tanzen, traut sich aber wegen kritischer Blicke der Umgebung dann doch nicht. Das Londoner Jazz-Quintett Ezra Collective um den Top-Pianisten Joe Armon-Jones macht auf seinem formidablen dritten Studioalbum mit
zahlreichen Gästen nun Mut, dem Impuls zu folgen. „Dance, No One’s Watching“ (sinngemäß: Tanz doch einfach, guckt ja keiner zu) ist „eine Ode an den heiligen und doch lustvollen Akt des Tanzens“, heißt es etwas gedrechselt in der Album-PR. Man könnte auch sagen: Diese Platte ist für den Dancefloor so sehr gemacht wie nur wenige Jazz-Alben, degeneriert aber trotzdem nicht zum gefälligen Stil-Mischmasch.
Auf hohem Niveau werden mühelos auch Soul (vor allem in den gesungenen Tracks von Yazmin Lacey und Olivia Dean), Funk, Dub-Reggae, Hip-Hop, Afrobeat und Salsa in den brodelnden Sound der Gewinner des begehrten britischen Mercury Prize 2023 (für „Where I’m Meant To Be“) integriert. Auf mehreren Stücken spielt die Super-Saxophonistin Nubya Garcia mit, deren ebenfalls gerade erschienene Platte „Odyssey“ nachträglich wärmstens empfohlen sei – wie überhaupt die Londoner Jazz-Szene, deren groovige, lässige Musik seit Jahren locker mit der US-ameri…