Zweites Album für King Hannah. Kann das Liverpooler Duo mit „Big Swimmer“ an das großartige Debüt „I’m Not Sorry, I Was Just Being Me“ heranreichen?
von Gérard Otremba
Bereits bei der 2020 veröffentlichte und von Sounds & Books zum Song des Tages gekürte ersten Single „Crème Brúlée“ glänzten King Hannah mit einem an Mazzy Star erinnernden, betörenden wie flirrenden düster-melancholischen Sound, der Dream-Pop und Rock-Noir vereinte, aber schon da mehr nach amerikanische Wüste als nach Liverpool klang. Aus der Beatles-Stadt stammen Sängerin und Gitarristin Hannah Merrick und Gitarrist Craig Whittle, die 2021 die EP „Tell Me Your Mind And I’ll Tell You Mine“ sowie 2022 das von uns rezensierte Debütalbum „I’m Not Sorry, I Was Just Being Me“ folgen ließen. Schon das mehr als nur ein
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Ausrufezeichen in der Indie-Szene und den eingeschlagenen Americana-Noir-Stil des Erstlings setzen King Hannah nun mit „Big Swimmer“ fort.
Sharon Van Etten als Gastsängerin
Gekonnt kreuzen sie wieder den Folk-Rock der 70er mit dem Indie-Rock der 90er-Jahre. Neil Young war als Referenz auf dem Debüt auszumachen, ist er hier immer noch, aber auch sein Kollege Bill Callahan spielt auf dem Zweitwerk eine bedeutende Rolle. Los geht dieses erneut formidable King-Hannah-Album allerdings mit dem als Vorabsingle veröffentlichten und von uns als Song des Tages vorgestellten Titeltrack „Big Swimmer“ mit Sharon Van Etten als Gastsängerin. Ein sich wiegender, sanft mäandernder, wehmütiger und doch strahlender Folk-Rock-Track und ein perfekter Einstieg ins neue Werk. Zehn weitere Lieder folgen, darunter das ebenfalls als Single ausgekoppelte „Davey Says“, das eindeutig quirligste Lied der Platte, das im Garagen-Indie-Rock der 90er plündert und an Dinosaur Jr. erinnert. Die große Callahan-Reminiszenz gelingt dem britischen Duo in „Suddenly, Your Hand“, ein siebenminütiger Slowmotion-Track, der von Merricks dunkel-bedrohlichen Stimme getragen wird und später in ein stoisch-verzerrtes, salbungsvolles Gitarrensolo Whittles mündet.
Die King-Hannah-Sogkraft
King Hannah waren viel in den USA unterwegs, spielten mit Kurt Vile, Kevin Morby sowie Thurston Moore und die neuen Songs sind Ausdruck und Reflexion dieser Reisen, der Begebenheiten, erlebten Geschichten und Erinnerungen. Die hypnotisch-betörende Sogkraft ihres Debüts erreichen sie wieder mühelos in weiteren famosen Songs. Im rockigen „New York, Let’s Do Nothing“ treffen Young und Callahan noch auf Lou Reed, das epische „Somewhere Near El Paso“ bauen sie ähnlich auf wie „Suddenly, Your Hand“, hier vielleicht noch radikaler in der Umsetzung, und im folkigen Closer „John Prine On The Radio“ huldigen sie einem ihrer Lieblings-Songwriter. Und ähnlich wie beim Debüt muss man sich auch vor „Big Swimmer“ verneigen. Ein grenzenverschiebendes und gar meisterliches Album.
„Big Swimmer“ von King Hannah erscheint am 31.05.2024 bei City Slang. (Beitragsbild von Katie Silvester)