King Gizzard zertrümmern jedwede liebgewonnene Konvention mit dem großen Baseballschläger. So auch auf dem neuen Album „Flight b741“.
von Jens Krüger
Dass die Australier von „King Gizzard & The Lizard Wizard“ wie die sprichwörtliche „Loose Cannon“ Genre für Genre vom großen musikalischen Buffet abräumen, ist ja bekannt. Grenzen werden nicht akzeptiert. Aber das? Auf ihrem gefühlt 246. Album seit Bandgründung 2010 gibt es jetzt Fuzz-Gitarren-Boogie-Südstaaten-Rock’n’Roll mit ZZ Top-Einschlag. Damit habe ich nun wirklich nicht gerechnet. Viel Groove und Swing, viel 4/4-Takt (will ich erst schreiben, dann fällt mir beim aufmerksamen Lauschen auf, dass einige Passagen doch ziemlich krumm sind)!
King Gizzard wie ein High-Tech-Chuck-Berry
Man kann sich richtig
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vorstellen, wie es dem Sextett Spaß gemacht haben muss, einfach mal drauflos zu jammen. Denn genau so klingt das Ergebnis: nach einem großen Jam. Besonders gut gefällt mir „Raw Feel“, in der die Fuzz-Gitarre das dickste verfügbare Sägeblatt rausholt und nebenbei George Michael mit den Flower Kings vermengt. Das alles zusammen klingt völlig logisch und homogen. Zweites Highlight ist für mich der swingende Boogie von „Le Risque“, der wie ein High-Tech-Chuck-Berry auf Steroiden klingt. Weitere Ausreißer nach oben oder unten zu finden, ist gar nicht so einfach. „Flight b741“ hat harmonisch hier und da was Zappaeskes – mit hoher statt tiefer Stimme. Die Platte ist in ihrer Gesamtheit sehr flott. Mundharmonika gibt’s irgendwo. Etwas seltsam finde ich lediglich die tupfig statt knackig klingende Rhythmus-Section.
Hätte Johnny Depp auf seinem Weg durch die Wüste in „Fear And Loathing in Las Vegas“ diesen Soundtrack im Autoradio gehabt, wäre es ein völlig anderer (sehr viel positiverer) Film geworden. Einen Pluspunkt gibt es von meiner Seite noch für das tolle Cover: Kamikaze-Schweine im Propeller-Doppeldecker. Das triggert beim Schreiber natürlich sofort den „Animal Farm“-Vergleich. Dabei geht fast unter, wie gut das Motiv auf eine ganz verrückte Weise perfekt zur Musik passt.
Demnächst 8-Bit-Black-Metal?
Und was mache ich jetzt mit alldem? Ich gestehe, 100% warm werde ich mit „Flight b741“ nicht. Ich bevorzuge eher die Vorgänger-Psychedelic-Rock-Werke, in den Polyrhythmen übereinander laufen und die Gitarre mehr Metal ist. Einen Grund darüber zu knatschen, gibt es aber natürlich nicht. Denn es ist ja auch einfach geil, dass King Gizzard jedwede lieb gewonnene Konvention gleich mit dem großen Baseballschläger zertrümmern. Das hält die Kunst frisch. Wir dürfen gespannt sein, welches Genre die Australier auf dem nächsten Album attackieren. Ich tippe auf 8-Bit-Black-Metal und nehme Gegenwetten an.
„Flight b741“ von King Gizzard & The Lizard Wizard erschient am 09.08.2024 bei Virgin Music. (Beitragsbild von Maclay Heriot)