Kid Kopphausen: „I“

Wenn zwei sich finden

von Gérard Otremba

Wenn sich zwei so wunderbare Songwriter wie Nils Koppruch und Gisbert zu Knyphausen zusammentun, kann nur etwas Schönes dabei entstehen. Und genau so ist es. Das erste Album ihrer Band Kid Kopphausen vereinigt die großartige Musik der beiden Liedermacher, die wir von Nils Koppruch bereits seit seligen Fink-Zeiten aus den 90er Jahre kennen. Und von Gisbert zu Knyphausen sind wir auch schon seit 2008 bezirzt.

Die Musik von Kid Kopphausen kann Leben retten

Es ist jedoch erstaunlich, dass die Musik des Hamburger Songwriters Nils Koppruch im Kanon des deutschen Liedgutes eher unterrepräsentiert ist. „Mondscheiner“ und die 2001 erschienene, selbstbetitelte LP seiner damaligen Band Fink tauchen nie in irgendwelchen lustigen „Top-50-Listen“ der besten deutschen Alben auf. Stattdessen gefühlte 100 Kraftwerk und Can-CDs. Nichts gegen die Werke der deutschen Vorzeigeelektroniker und Krautrocker, aber können deren Songs Herz und Seele jemals so berühren wie „Daß sie weiß“, „Irgendwann Regen“, oder „Wenn du mich suchst“? Und dazu bedarf es gar nichts Spektakuläres. Die verträumte Melancholie von „Schritt für Schritt“, eine dieser typischen lakonischen Koppruch-Balladen, reicht völlig aus, um die Gefühlswelt anzuregen. Die Platte beginnt jedoch mit „Hier bin ich“, ein doppelbödiger Polterrock, der durch den sturen Schlagzeugbeat von Drummer Alexander Jezdinsky geprägt wird. Nils Koppruch und Gisbert zu Knyphausen wechseln sich mit den Leadvocals ab und suchen „Antworten auf Fragen wie diese: Wer bin ich?“. Nun, verdammt gute Musiker seid ihr. Und das beweisen sie glorreich beim Song „Das Leichteste der Welt“. Dort haben sie uns „Blumen und Pralinen vom Arsch der Hölle mitgebracht“, wie Gisbert zu Knyphausen singt und entfachen eine irre Euphorie, die sich im triumphalen Finale entlädt, denn „dann kommt ein Schlagzeug rein und treibt den Beat bis hinter meine Ohren, ein Bass umgarnt die Bassdrum, eine Gitarre drängt nach vorn und irgendwo im Nirgendwo pfeift ein himmlisches Feedback“. Bei soviel Lärm um alles, kann es nur eine konsequente Botschaft geben: „you will be saved by Rock’n’Roll“. Und für nichts Geringeres ist „Das Leichteste der Welt“ komponiert worden: Um Leben zu retten. Jedenfalls hat es das Zeug dazu.

Von Schunklern, Poesie und Mörderballaden

Aber es muss ja nicht immer gleich das hehrste aller Ziele sein. Der langsame Schunkler „Im Westen nichts Neues“ entfacht ebenfalls alte Fink-Erinnerungen, genauso wie Koppruchs Banjo-Spiel bei „Meine Schwester“ und „Zieh dein Hemd aus Moses“. Auch das dunkle, bedrohliche bluesige „Wenn der Wind übers Dach geht“ dringt durch Mark und Bein. Der federleichte Rock’n’Roll von „Jeden Montag“ verbreitet hingegen hoffnungsvolle Fröhlichkeit. Den Rock’n’Roll im Blut hau auch Gisbert zu Knyphausen, wie man am Ende von „Schon so lang“ hören kann, wenn er gemeinsam mit Koppruch, Jezdinsky, Bassist Felix Weigt und Gitarrist Marcus Schneider ordentlich die Sau raus läßt. Tief ergreifend natürlich seine poetische Melancholie in „Wenn ich dich gefunden hab“ und das romantisch-gespenstige „Haus voller Lerchen“. Nick Cave hat mal ein ganzes Album voller „Mörderballaden“ aufgenommen, von Gisbert zu Knyphausen bekommen wir hier eine zu hören, die in ihrer Intensität Caves Songs auf Augenhöhe begegnet. Als majestätischen Ausklang des Albums offerieren Kid Kopphausen den Song „Nur ein Satz“ mit dem letzten Vers: „Ach, wie ich mir wünschte, ich hätte geschwiegen“. Wie gut, dass Knyphausen und Koppruch es nicht getan haben. Denn dieser deutsche Americana-Sound von Kid Kopphausen macht süchtig.

Kid Kopphausen: „I“ ist am 24.08.2012 bei Trocadero / Indigo erschienen.

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