Kathrin Weßling: Nix passiert – Roman

Kathrin Weßling Foto privat

Ohne Saus leben in Braus – da, wo „Nix passiert“. In der Heimat von Alex. Oder zumindest der Heimat seiner Familie und früherer Freunde. Dorthin, nach Braus, lässt Kathrin Weßling also den Protagonisten ihres neuen Romans zurückkehren.  

Zurückkehren, denn Alex wohnt da nicht mehr, und ist, seit er sich tausend (lies: zehn) Jahre zuvor gegen ein Leben in Braus, stattdessen für eines in Saus (lies: Berlin) entschieden hatte, auch sehr selten zu Besuch. Weil Braus halt das Kaff der Kindheit ist und Berlin halt nicht. Erst war Berlin alles Mögliche, vor allem nicht Braus, dann die Stadt, in der Jenny war. Was superschön war, solang Jenny war. Als Jenny dann nicht mehr war, zumindest nicht mehr mit Alex, war Berlin zwar immer noch – dann aber nicht mehr alles, sondern nichts mehr. Leer. Egal. Zu viel. Zu wenig. Zuviel zu wenig. Und zu gefährlich, dort zu bleiben und Jenny über den Weg zu laufen. Weil in solchen Momenten halt auch Berlin Kaff sein kann.

Wenn schon Kaff, dann das, wo wirklich nix passiert

Und wenn schon Kaff, dann das Original. Also zurück für Alex nach Braus, wo er sich im Haus seiner Eltern eine Auszeit nehmen will. Dass sich Jenny von ihm getrenKathrin Weßling Nix passiert Cover Ullstein Buchverlagent hat und er leidet wie nichts Gutes, verschweigt er erstmal. Stattdessen Geschichten von Erholung und Urlaub und Familie und warum denn auch nicht und überhaupt. Nimmt ihm dort natürlich niemand so richtig ab, die neuentdeckte Heimatliebe, nach all den Jahren. Aber  Familie tut, was Familie tun muss: Nimmt ihn auf und freut sich über sein Dasein. Und, denn das muss Familie auch, nervt. Bald schon sieht sich Alex mit Familienstreit, offenen Rechnungen mit alten Freunden, vor allem aber mit Langeweile satt konfrontiert. Und er fragt sich, ob er die Kleinstadt eigentlich jemals hinter sich gelassen hat und, na klar, was Zuhause eigentlich bedeutet. Und während man mit Protagonist Alex in dessen Gedanken und in Braus abhängt, fragt man sich, ob er, der sensible Dreißigjährige, vielleicht doch etwas mehr leidet, als gerade noch empfehlenswert. Obwohl Liebeskummer natürlich immer Kummer und damit per se nicht schön ist, scheint Alex intensiver zu leiden. Sagen nicht nur andere, sagt er selbst auch. Und reicht hierfür irgendwann die Erklärung nach: Diagnostizierte Panikstörung.

Nix passiert und trotzdem Algorithmus

Naheliegend, dass der Algorithmus Menschen, die sich für Sarah Kuttners „Mängelexemplar“ interessieren, auch Kathrin Weßlings „Nix passiert“ vorschlägt. Wenngleich die Handlungsstränge und Charaktere der beiden Romane natürlich andere sind,  ähneln sich doch die Sujets und auch der Ton ist ein in der Unterhaltsamkeit durchaus vergleichbarer. In Sätze gegossene Gedanken, und davon nicht wenige, bei denen man sich so denkt: Ja! Jajaja! Ganz genau. Genau so ist das! Das Leben, die Sau. Eins der härtesten und zeitgleich eins der einzigen, das man hat. Und so sitzt man also mit Alex im Gedankenkarussell und fährt ganz freiwillig noch eine Runde mit. Und hui: ruhig noch eine.

Schöner langweilen mit Kathrin Weßling

Denn obwohl die 1985 geborene Kathrin Weßling ihren Protagonist der ungepflegten, weil zuweilen erbarmungslosen Langeweile aussetzt, macht „Nix passiert“ das (lies: langweilen) definitiv nicht. Im Gegenteil. Dank Alex‘ Ton und Humor, den er natürlich in Gänze dem Kathrin Weßlings zu verdanken hat, unterhält der Roman über weite Strecken ziemlich gut. Viel mehr ist es dann aber nicht. Eher Oberfläche, statt Tiefgang. Eher festlegen, statt entwickeln. Der in der Inhaltsangabe angekündigte Familienstreit ist eher handelsüblicher Disput mit Blutsverwandten als ernsthafte Fehde und auf den „offenen Rechnungen mit alten Freunden“ stehen auch eher Kleckerbeträge im unteren Centbereich als ratenzahlungswürdige Batzen.
Wirklich viel hängen bleibt nicht. Außer: Ach so, Berlin. Ach so, na klar, Liebeskummer. Ach so, runteratmen. Ja logo: zurück zu den Wurzeln. Raus aus dem Großen, rein ins Kleine. Ach so, stimmt.  Da, im Kleinen, war ja auch irgendwas nicht so okay. Aber: ja klar – alles in allem „Nix passiert“. Insofern also keine leeren Versprechungen. Und wo sonst immerzu so viel los ist, ist es doch schön, wenn mal „Nix passiert“ und man mal gar nichts erlebt. Wusste schon Mozart zu schätzen.

Kathrin Weßling: „Nix passiert“, Ullstein Buchverlage, Klappenbroschur, 240 Seiten, ISBN: 978-3-96101-038-7, 18 € (Beitragsbild: Kathrin Weßling Foto: privat)

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