Kate Tempest: Let Them Eat Chaos – Album Review

Eine brutale Veröffentlichung, nicht bequem und erschlagend

von Sebastian Meißner

Die Welt steht in Flammen, ist zur Hälfte bereits vollkommen zerstört. Eine gigantische Qualmwolke zieht ins schwarze All. Das Rauchzeichen dürfte der letzte, vergebliche Hilferuf der Erde sein. Wie Titel und Cover ihres neuen Albums vermuten lassen, ist „Let Them Eat Chaos“ keine leichte Kost. Die Vertonung ihres Poems über sieben Nachbarn, die in derselben Londoner Straße wohnen, und allesamt ein tristes und einsames Leben führen, hat Kate Tempest auf 20 finstere, teils hoffnungslose Tracks aufgeteilt. Songs wie „Nicotine“, „Europe Is Lost“, „We Die“ oder „The Storm Brews“ lassen erahnen, wohin die Reise geht.

Musikalisch überwiegend schlicht gehalten, ziehen sie gerade aus dieser hypnotischen Einfachheit ihre Wirkung. Im Vordergrund steht das Wort. Tempest ist keine Effektrapperin, ihr Fokus liegt nicht auf Schnelligkeit oder Style, sondern allein auf Aussage und Wirkung ihrer Worte. Terror, Korruption, Ausbeutung, Gerechtigkeit, Kapitalismus – die von Tempest in Wortlawinen vorgetragene Bestandsaufnahme menschlicher Existenz fällt vernichtend aus. Da es sich um ein durch Interludes und nahtlose Übergänge zusammengehaltenes Konzept-Album handelt, lassen sich Anspieltipps kaum herauspicken. Dennoch ragen „We Die“, „Perfect Coffee“ und der Closer „Tunnel Vision“ aus dieser homogenen Platte positiv heraus. Gerade in letzterem Stück ist ihre schonungslose und ungeschönte Wortgewalt geradezu erschlagend.

Wie sie sich hier rhythmisch in die Grooves ihrer Stücke reinarbeitet, ist beeindruckend. Ihre Worte appellieren an Geist und Gefühl, sie formen sich im Kopf des Hörers zu Entschlossenheit und Tatendrang. Und so ist „Let Them Eat Chaos“ keine schöne, keine bequeme, keine angenehme Platte. Sie ist das Gegenteil davon. Und genau deshalb so interessant. So klingt Musik, wenn sich der Künstler nicht um persönliche Eitelkeiten schert, sondern sich offenen Geistes den fatalen Entwicklungen und Folgen des politischen Weltgeschehens widmet. Tempest nimmt ihre Hörer in die Pflicht. Sie erweitert Horizonte und fordert Reaktionen ein. Eine brutale Veröffentlichung.

„Let Them Eat Chaos“ von Kate Tempest ist am 07.10.2016 bei Caroline International erschienen.

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