Karl Bruckmaier: The Story of Pop – Review

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Eine ungewöhnliche und lesenswerte Studie über die Popmusik

von Gérard Otremba

Wer in The Story of Pop von Karl Bruckmaier eine Geschichte der Popmusik, beginnend mit Elvis Presley und endend in den modernen Auswüchsen von Post-Dub-Step und Minimal-Techno, erwartet, wird überrascht sein. Bruckmaiers Verständnis von Pop ist ein allumfassendes, ein weit ausholendes und tief in die Menschheits- und Mythengeschichte reichendes. Eine Erklärung und Einstimmung gibt der Journalist des Bayerischen Rundfunks und der Süddeutschen Zeitung bereits im Vorwort:

„Denn die Geschichte der Popmusik setzt sich nicht zusammen aus dem Wissen, wer 1972 bei Jethro Tull Bass gespielt und wer wann die erste House-Maxi veröffentlicht hat. Die Geschichte der Popmusik stellt für mich ein seit Jahrhunderten aufgeführtes Drama dar, das uns von einem bestimmten Typus Mensch erzählt, von seinen Lebensumständen, von seinen Träumen, von seinen politischen Ansichten und von seinen Unzulänglichkeiten. Ein Drama braucht einen Chor. Vielstimmig muss die Erzählung sein. Und im Rhythmus.“

bruckmaier_72dpi_rgbUm diesen Rhythmus zu finden, taucht Karl Bruckmaier in die Zeit der arabischen Laute und spürt den Weg der Trommel nach Europa im Mittelalter auf. In der Folge beschreibt Bruckmaier eine ausführliche Geschichte der Sklaverei und deren Einfluss auf die Musikveränderungen der letzten Jahrhunderte. Er dehnt den Pop-Begriff aufs Äußerste, im kausalen Zusammenhang alles stimmig, griffig und immer wieder zu Diskussionen anregend. Bruckmaiers Pop-Universum versammelt alles, Minstrel, Work-Songs, Gospel, Blues, Jazz, Rock’n’Roll. In The Story of Pop spielt die Musik immer eine Rolle in wechselseitiger Beziehung zur Gesellschaft, die Entwicklung der Menschheitsgeschichte ist ihm mindestens ein ebenso großes Anliegen, wie der der Popmusik selbst. Pop ist für Bruckmaier ein nicht endender Vorgang, der Bestehendes außer Kraft setzt.

„Pop, der hier gerade noch Charleston, Swing, Jitterbug oder Lindy Hop tanzt, bringt die Möglichkeit der individuellen Freiheit in Sichtweite, weil er statische Betrachtungsweisen ablehnt, per definitionem in Bewegung ist und in Bewegung versetzt und dadurch den Prozesscharakter der Dinge betont, ihre gedankliche Durchdringung mit spielerischer Leichtigkeit ermöglicht, aber nicht verlangt.“

Über einzelne, die Popgeschichte prägende Alben referiert Karl Bruckmaier erst gar nicht, aber auf politische Strömungen, Umwälzungen und deren Auswirkungen auf den pophistorischen Bereich geht er in aller gebotener Ausführlichkeit ein. Natürlich gibt es in The Story of Pop streitbare Punkte, das macht das Lesen dieses Buches so interessant.

„Es geht nicht um Wahrheit. Es geht nicht darum, für irgendeine Wahrheit zu töten oder zu sterben. Es geht darum, besser zu leben, nach dem eigenen Glück und manchmal auch nach dem Glück der anderen zu streben. My life was saved by rock’n’roll. Könnte auch Tekkno gewesen sein.“

Nein, natürlich nicht, lieber Karl Bruckmaier. Auch der Pop bietet absolute Wahrheiten und die Geschichte mit der Lebensrettung durch den Rock’n’Roll ist eine eben solche. Aber den Reiz des Streitens und der Auseinandersetzung mit dem Inhalt legt uns Bruckmaier auf dem Silbertablett. Das Buch The Story of Pop von Karl Bruckmaier ist nicht nur eine ungewöhnliche und lesenswerte Abhandlung über die Popmusik, es ist Pop, mit ganz vielen Schurken und Helden.

Karl Bruckmaier: „The Story of Pop“, Murmann Verlag, Leinen Hardcover, 978-3-86774-338-9, 29,99 €.

Kommentare

  • <cite class="fn">gerhard</cite>

    Sein Soundcheck-Buch fand ich auch extrem witzig. Der Mann kennt sich aus im Pop-Business. Menschlich allerdings eine eher unangenehme und ziemlich arrogante Type, ich kenne ihn von etlichen Hausversammlungen, gleichwohl hab ich seine Zündfunk-Sendungen immer gerne gehört.
    Viele Grüße, Gerhard

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