Karen Duve: Macht – Roman

Wenn einem ob der nahenden Zukunft das Lachen im Halse stecken bleibt

von Gérard Otremba

Ganz am Ende des Buches, auf der Dankesseite, bemerkt Karen Duve, dass es in ihrem Roman Macht „von Fremdeinflüssen und mehr oder weniger stark veränderten Zitaten nur so wimmelt“. Interviews, Romane, Sachbücher, Filme und sogar das „Manifest eines Amokläufers“ dienten Duve als Quellen für ihren neuen Roman. Aus diesem medialen Crossover zeichnet Karen Duve in Macht eine gekonnte, böse und auf die Spitze getriebene Gesellschaftssatire. Die 1961 in Hamburg geborene Autorin schaut in das Jahr 2031. Die Klimakatastrophe hat Deutschland voll im Griff. In Hamburg und Umgebung toben heftige Stürme, enorme Hitzewellen und starke Regenfälle bestimmen das Wetterbild.

Laut Protagonist und Ich-Erzähler Sebastian Bürger ist der Planet in den nächsten fünf bis zehn Jahren zum Untergang verdammt. Sebastian Bürger ist eigentlich schon 68 Jahre alt, doch die Verjüngungstablette Ephebo lässt ihn als Mittdreißiger durchgehen. Das Krebsrisiko wächst zwar mit steigender Einnahme des Mittels, doch der Fatalismus des nahenden Weltuntergangs sowie der Verjüngungswahn lassen die Menschen die Wunderpille in Massen schlucken. Außerdem gibt der sogenannte „Staatsfeminismus“ die politische Richtung in Deutschland vor. Für Bürger ein Dorn im Auge, schließlich rauben die nun herrschenden Frauen (und die wenigen männlichen Minister unter Bundeskanzler Olaf Scholz) mit seiner Ansicht nach absurden Gesetzen wie „Fahrradhelmzwang für alle“ das letzte Quäntchen Spaß am Leben.

Sebastian Bürger ist eine überaus ambivalente Person. Bereits während der Schulzeit in den 70er Jahren hat er sich seinen Spitznamen „Öko“ eingehandelt, hat sich immer für das Gute eingesetzt, ein engagierter Idealist, der sich für die Umwelt, Tiere und Frauenrechte einsetzte. Und nach außen macht er als Pressesprecher des Demokratiekomitees immer noch eine gute Figur, allein er ist längst zu einem zynischen Psychopathen mutiert, der seine Ex-Frau, die ehemalige Ministerin für Umwelt, Naturschutz, Kraftwerkstillegung und Atommüllentsorgung seit zwei Jahren in einem abgedichteten Kellerraum gefangen hält und für seine demonstrativen  Machtspiele, bis hin zur Vergewaltigung, missbraucht. Auf der anderen Seite verliebt er sich beim 50-jährigen Klassentreffen in eine ehemalige Mitschülerin, die er schon als Jugendlicher anhimmelte und mit der er sich eine gemeinsame Zukunft erhofft.

Karen Duve holt zum großen Schlag aus. „Die Welt ist aus den Fugen, die Menschen sind bankrott“, sang einst schon Funny van Dannen und Karen Duve hat mit Macht den literarischen Beweis für diese These angetreten. Dieser Roman ist ein grenzenloser Rundumschlag, ein Pamphlet mithin, ein Männer-Religionen-Ideologien-Politiker-Fleischesser-moderne-Zeiten-und-und-und-Bashing sondergleichen, ein wütender, gar zorniger Aufschrei, der uns den Spiegel vorhält und in offene Wunden stößt. Das ist zwar alles mächtig plakativ und klischeebeladen, stellenweise aber auch ultrakomisch. Ein Humor, der häufig im Halse stecken bleibt und man möchte noch viel mehr lachen, wüsste man Duves groteske, dystopische Gender-Zukunftsvision nicht so verdammt nah an der Realität. Karen Duve präsentiert sich in Macht als Mahnerin, der man Gehör schenken sollte und deren Buch viele Menschen hoffentlich noch rechtzeitig aufrüttelt.

Karen Duve: „Macht“, Galiani Berlin, Hardcover, 416 Seiten, 978-3-86971-008-2, 21,99 €.

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