Jürgen Habermas: Auch eine Geschichte der Philosophie

Jürgen Habermas Auch eine Geschichte der Philosophie Taschenbuch Cover Suhrkamp Verlag

Beide Bände „Auch eine Geschichte der Philosophie“ von Jürgen Habermas liegen nun im Taschenbuch vor

Geschichten der Philosophie gibt es viele. Meist als Überblick konzipiert, der chronologisch und ideengeschichtlich aufgebaut ist, bieten sie Übersichten und Kontextualisierungen. Jürgen Habermas, nimmermüder Philosoph und Soziologe, begnügt sich in seinem hier vorliegenden zweibändigen Werk aber nicht auf die Nacherzählung (Band 1 behandelt die Philosophie der Antike bis ins späte 19. Jahrhundert, Band 2 die Zeit seither bis heute). Habermas erzählt „auch“ eine Geschichte der Philosophie, nimmt darüber hinaus aber auch eine Reflexion über die Aufgabe einer Philosophie vor, die an der vernünftigen Freiheit kommunikativ vergesellschafteter Subjekte festhält: Sie soll darüber aufklären, „was unsere wachsenden wissenschaftlichen Kenntnisse von der Welt für uns bedeuten – für uns als Menschen, als moderne Zeitgenossen und als individuelle Personen“.

Jürgen Habermas und das Wissen von Jahrtausenden

Jürgen Habermas Auch eine Geschichte der Philosophie Taschenbuch Cover Suhrkamp Verlag

Das „auch“ im Titel will Habermas im Übrigen sowohl als Bescheidenheitsgeste verstanden wissen als auch als Verweis auf den Sinn von genealogischer Darstellung, die „das Verhältnis von expliziter Darstellung und performativ entstehender Perspektive auf den Kopf stellt“. Habermas mischt sich ein, verweist auf aktuelles Zeitgeschehen, kommentiert meinungsstark und ist somit nicht nur Chronist, sondern philosophiert sich. Wie die Untertitel der beiden Bände zeigen (Band 1: „Die okzidentale Konstellation von Glauben und Wissen“ und Band 2 „Vernünftige Freiheit: Spuren des Diskurses über Glauben wissen“) versucht Habermas Verständigung herzustellen zwischen Philosophie und Religion.

Was durchaus beachtlich und gleichzeitig nur logisch ist. Denn so wird das Wissen von Jahrtausenden, werden die Kritische Theorie und die Errungenschaften der modernen Physik in Einklang gebracht. Habermas nennt dies im Nachwort des Buches eine „Fruchtbare Interaktion“ und methodisch eine „Akzentverschiebung“, die er nur nachhole und die sich inzwischen in der Philosophiegeschichtsschreibung durchgesetzt habe.

Großer Respekt

All dies setzt bei den Leser:innen so manche Vorkenntnis voraus. Ohne die sind die zum Teil hochkomplexen Gedankengänge herausfordernd. Habermas hantiert mit dem Wissen über mehr als 3000 Jahre Philosophiegeschichte, er hält die einzelnen Puzzleteile aneinander, identifiziert Schnittmengen und stellt Bezüge auch dort her, wo sie bislang nicht gedacht wurden. Und das Ganze auf zweimal rund 900 Seiten. Das kostet Anstrengung. Anderseits bereichert es eben auch mit jeder Zeile und ist daher eine Wohltat. Der Respekt vor der Gedankenkraft des (immerhin auch schon über 90-jährigen) Autors, der sich beim Lesen einstellt, könnte größer kaum sein.

Das bei seiner Erstpublikation 2019 gefeierte Buch erscheint nun als Taschenbuch mit einem deutlich erweiterten Gesamtinhaltsverzeichnis und einem für diese Ausgabe geschriebenen Nachwort des Autors.

Jürgen Habermas: „Auch eine Geschichte der Philosophie“, Suhrkamp, Taschenbuch Wissenschaft, beide Bände im Schuber, 978-3518-29984-5, 42 Euro

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