Josh Ritter: Spectral Lines

Josh Ritter by Sam Kassirer

Seit über 20 Jahren verwöhnt uns Josh Ritter mit schönen Americana-Alben. Kommt er auf „Spectral Lines“ wohlbehalten aus der Corona-Krise zurück?

von Werner Herpell

Wie bei so vielen Musikern klafft auch im gut zwei Dekaden umspannenden Werk des Singer-Songwriters Josh Ritter aus Moscow/Idaho jetzt eine Corona-Lücke. Seine bisher letzte Platte „Fever Breaks“ stammt vom April 2019 – vorher hatte er seit dem selbstbetitelten Debüt stets alle zwei, höchstens alle drei Jahre neue Studioalben veröffentlicht. Mit „Spectral Lines“ geht die Wartezeit nun aber zum Glück zu Ende.

Ein Album als Anliegen nach der Krise

Josh Ritter Spectral Lines cover Pytheas Recordings

Und selbst wenn die zehn Songs keine völlig neue Seite von Josh Ritter zeigen, ist dieses gewohnt

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hochklassige Werk dem Sänger und Gitarristen doch ganz offenkundig ein Anliegen nach der weltumspannenden, auch Künstler massiv betreffenden Pandemie-Krise. „Ich denke, es ist für uns wichtig, miteinander einige unser grundsätzlichsten und gemeinsamen Erfahrungen zu teilen (…). Das ist es, was wir wirklich brauchen derzeit“, betont der 46-Jährige. „Ich weiß, das wir alle gemeinsame Erfahrungen gemacht haben, und es ist wichtig, diese zurückzuspiegeln, weil sie eben keine einsamen Erfahrungen sein sollten.“

Lieder über das Erlebte als eine Art gemeinsame Therapie, sowohl für den Autor als auch den Hörer – man hört das erstaunlich oft von Songwritern derzeit. Josh Ritter hat diesen Prozess des Verarbeitens jedenfalls gut genutzt. Und dass seine Lieder zu den textlich brillantesten gehören, die das Folkrock/Americana-Genre zu bieten hat, weiß man schon lange, spätestens aber seit den Karriere-Highlights „Hello Starling“ von 2003 und „The Animal Years“ von 2006. Nicht umsonst ist Ritter auch ein gefeierter Roman-Autor (der auf dem Höhepunkt von Corona sein zweites fiktionales Buch „The Great Glorious Goddamn Of It All“ herausbrachte).

Josh Ritter verehrt Dylan, Cash und Waits

Als Musiker verehrt er Songpoesie-Ikonen wie Bob Dylan, Johnny Cash und Tom Waits. Dessen kaputte Raspelstimme ist aus Ritters noblem Gesang zwar nicht unbedingt herauszuhören – Waits war ihm aber in einem Interview der „New York Times“ eine besondere Erwähnung wert. „Er hat einen tollen Job gemacht indem er immer wieder neue Wege fand, um sich auszudrücken und mit der Welt zu kommunizieren“, lobte Ritter da. In einigen der wunderbaren Balladen von „Spectral Lines“, etwa im Opener „Sawgrass“, in „Horse No Rider“ oder „Whatever Burns Will Burn“, lässt sich der kompositorische Einfluss des frühen Tom Waits der 70er-Jahre auch durchaus spüren.

Am Ende des Albums wartet dann noch eine Überraschung: Der zärtliche Closer „Someday“ klingt wie eine atmosphärische, Country und Jazz verknüpfende Verbeugung vor dem Sixties-Pop-Klassiker „Crimson And Clover“ von Tommy James And The Shondells. Keine Frage: Josh Ritter bleibt, auch wenn er sein Spektrum diesmal nicht erweitert, einer der großen US-Songschreiber der mittleren Generation.

„Spectral Lines“ von Josh Ritter erscheint am 28.04.2023 bei Pytheas Recordings/Thirty Tigers/The Orchard. (Beitragsbild von Sam Kassirer)

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