Das Gesamtkunstwerk Jonathan Hultén bezaubert uns ab dem 31.01.2025 mit seinem zweiten Album mit Originalkompositionen
von Michael Thieme
Die musikalische wie visuelle Ausdruckskraft Jonathan Hulténs beeindruckte schon bei der schwedischen Band Tribulation, die er 2005 mitgründete und 2020 verließ. Eine Band, die mit kompromisslosem Death Metal begann und anschließend von Album zu Album immer mehr Schwärze integrierte, so dass sie eine Zeitlang zu den aufregendsten Goth-Metal-Bands gehörte. Noch während seiner Mitgliedschaft bei Tribulation begann er, seinen inneren Nick Drake zu verarbeiten und diesen, optisch untermalt durch sein Schaffen unter dem Alter Ego Necromantic Art sowie unter dem Einfluss grafischer Ikonen wie Yoshitaka Amano (Final Fantasy) oder Aubrey Beardsley, faszinierend zum Besten zu geben (Näheres bei dieser Live-Review von 2017).
Letztes Jahr gastierte er vor Myrkur im Hamburger Übel & Gefährlich und enttäuschte zumindest meine optischen Erwartungen etwas, die ich peinlicherweise enthusiastisch einem anwesenden Hamburger Fotografen mitteilte; worauf er mich nach dessen in purem Dunkelblau illuminiertem Gig etwas fassungslos ansah – eine Verschwendung von Maske und Gewandung, die auf anderen Auftritten der Tour gewinnbringender ausgeleuchtet wurde. Aber das nur am Rande. Schwamm drüber.
Jonathan Hultén: Wohlfühlende Naturmystik oder esoterischer Eskapismus?
Die zwölf frischen Songs, die weniger als Hulténs Frühwerk an Nick Drake erinnern, sondern weit expressiver als zuvor an elektronischem Ambient, Chamber Pop, Neo-Klassik, verhuschter Psychedelic oder sakralem Folk gemahnen, können leicht beiderseits gedeutet werden – sucht man in dieser prä-faschistischen Zeit eher Erdung und Trost oder zieht sich frustriert ins stille Kämmerlein zurück? Beides ist nachvollziehbar; beides funktioniert in diesem Klangkosmos, der musikalisch so fulminant orchestriert ist und dabei trotzdem eine erhabene Entschleunigung darstellt. Großartiges Album eines stetig wachsenden Künstlers, von dem wir noch viel hören und (hoffentlich besser ausgeleuchtet) sehen werden.
„Eyes Of The Living Nights“ von Jonathan Hultén erscheint am 31.01.2025 bei Kscope. (Beitragsbild von Morgan Tjarnström)