Jon Allen: Seven Dials – Albumreview

Londons dunkle Gassen und zwielichtige Gestalten von anno dunnemals: Der Singer-Songwriter Jon Allen macht aus diesem herben Stoff ein Classic-Rock-Juwel.

von Werner Herpell

Schon das Cover-Artwork deutet an, wo’s inhaltlich lang geht auf dem neuen (Konzept-)Album „Seven Dials“ des britischen Singer-Songwriters Jon Allen: tief hinein in die Vergangenheit, in das London des 18./19. Jahrhunderts, in die nur vordergründig prächtige Weltreich-Metropole mit den finsteren Hinterhöfen und furchterregend düsteren Gassen der Covent-Garden-Region und anderer unglamouröser Gegenden. Wo man jederzeit erwartet, dass gleich ein gewisser Jack the Ripper mit blutigem Messer um die Ecke biegt.

Harter Stoff zu prächtiger Musik

Jon Allen Seven Dials Albumcover

Klar, dass Allen keine unbeschwerten Lieder für dieses Szenario zu Papier gebracht hat. Die Platte ist textlich teilweise harter Stoff – dargeboten freilich zur feinsten Mixtur aus traditionsbewusstem Classic-Rock, melancholischem Folk, rauem Soul und erdigem Blues, die sich derzeit jenseits von Van Morrison, Elton John, Joe Cocker und Rod Stewart (jeweils in ihren jungen Jahren, also während der 70er) denken lässt. Und die nach viel Whisky und Zigaretten klingende Reibeisenstimme von Jon Allen ist noch einmal eine Klasse für sich – in der aktuellen Rock-Szene lässt sich gerade noch Kelly Jones von den Stereophonics als Vergleich finden.

In das Milieu der zwielichtigen und kriminellen Gestalten, aber auch der lediglich Mittellosen, in die Grauzone zwischen übelsten Verbrechen und bitterster Armut, begibt sich Jon Allen mit seiner Band The Luna Kings auf dem siebten Album und Nachfolger von „A Heightened Sense Of Everything“ (2023). Der Plattentitel bezieht sich auf eine historische Covent-Garden-Kreuzung, damals ein Treffpunkt für die Ausgestoßenen der Gesellschaft. Jeder Track auf „Seven Dials“ soll den Hörer in das Leben derjenigen eintauchen lassen, die in den gefährlichen Gassen des Viertels ihr Leben fristen mussten: Taschendiebe, Bettler, hoffnungslose Hungerleider und verzweifelte Frauen.

In einer Zeitmaschine mit Jon Allen

Songtitel wie „The Shadow“, „Down With The Tide“, „Nine Lives“, „Crooked Sky“ oder „The Dealer“ sind quasi selbsterklärend in ihrer Düsterkeit. „Themen wie Verrat, Kampf und moralischer Verfall ziehen sich wie ein roter Faden durch die Musik, während Allen seine lyrischen Geschichten mit einer Mischung aus akustischer Härte und elektrischem Blues-Rock erzählt“, schreibt denn auch zusammenfassend sein Label V2 Records. Dessen Bezeichnung von „Seven Dials“ als „Zeitmaschine“ bekommt angesichts der weit in der Vergangenheit liegenden Themen und der knietief in der Rock-Geschichte verwurzelten Musik eine hübsche Doppeldeutigkeit.

Fazit: Wer darüber nachdenkt, in diesem Jahr nur eine einzige Classic-Rock-Scheibe zu erwerben, kommt an diesem dunkel schimmernden, dabei wunderbar empathischen Singer-Songwriter-Meisterstück kaum vorbei.

Das Album „Seven Dials“ von Jon Allen erscheint am 02.05.2025 bei V2 Records/Bertus. (Beitragsbild von Micheal Walker)

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