Orchestral vertonte Klassiker und Kleinode von Johnny Cash
Nachdem die Schoko-Nikoläuse sowie die Lebkuchen im Supermarkt bereits seit einigen Wochen auf das bevorstehende Weihnachtsfest hinweisen, kommen nun auch langsam die Plattenfirmen wieder in die Puschen und veröffentlichen Material von Künstlern, von denen man schon fast alles zu kennen oder zu haben glaubt. Im besten, jedoch nicht unbedingt preisgünstigsten Fall sind dies neue Editionen bekannter Werke mit bisher ungehörten Versionen (Prince, Joni Mitchell, Motörhead, Tom Petty) – im schlechtesten Neu-Arrangements von Stücken verstorbener Künstler, die sich gegen diese Art der kommerziellen Ausschlachtung nicht mehr wehren können. Das führte in der Vergangenheit bereits zu skurrilen „Duetten“, beispielsweise des immer noch vielgeliebten Elvis Presley mit Helene Fischer.
Eine interessante Mischung aus unsterblichen Hymnen und Kleinoden aus hinteren Reihen
Der 2003 verstorbene Johnny Cash hat nach wie vor nicht weniger Fans als Elvis, unterm Strich sogar eine weit bessere Reputation als der sogenannte „King“ des Rock’n’Roll – dem, neudeutsch gesprochen, nicht selten kulturelle Aneignung vorgeworfen wird. Bleibt die Frage, wie man das nennt, was Cash-Filius sowie Nachlassverwalter John Carter Cash mit dieser Veröffentlichung verbrochen hat. Songs von Johnny Cash – nicht ausnahmslos Klassiker, sondern eine interessante Mischung aus unsterblichen Hymnen neben Kleinoden aus hinteren Reihen – werden mit einem symphonischen Klangteppich gepimpt, beschert vom Royal Philharmonic Orchestra aus London. Wie John Carter Cash, der hier auch als Executive Producer fungierte, in den Liner-Notes formuliert, hatte sein Vater „schon immer ein Faible für orchestrale Sounds“ und würde für solch ein Projekt „mit Sicherheit“ das RPO auswählen.
Johnny Cash und Duane Eddy
Das verwendete Material erstreckt sich dabei vom Signature-Song „Man In Black“ über Cash’s bekannteste Weisen „Ring Of Fire“ sowie „I Walk The Line“ (letztere basiert auf einer bisher unveröffentlichten Version) über Hits, die man eher von anderen Künstlern kennt („The Gambler“); der ikonischen Zusammenarbeit mit Bob Dylan („Girl From The North Country“) und den Highwaymen Nelson, Jennings & Kristofferson („Highwayman“) zu weniger bekannten Stücken wie „Farther Along“ vom 1975 veröffentlichten Album „Sings Precious Memories“. Letzterer trumpft darüber hinaus auf mit der Mitwirkung einer weiteren Legende des Rock’n’Roll, dem inzwischen 82jährigen Duane Eddy, der sich laut den Liner Notes immer gewünscht hätte, in Cash’s Band Gitarrist Luther Perkins zu beerben.
Johnny Cash als Mann großer Emotionen
Viel Herzblut tropft aus dem Geschriebenen – auch Produzent Don Reedman spricht von Cash als „Mann großer Emotionen“, dessen „Tiefe der von ihm gesungenen Lieder (..) jederzeit aufs Neue (..) berührt“. Stimmt. Aus genau diesen Gründen ist es vollkommen unnötig, diese Emotionen mit einem fetten, orchestralen Klangkörper zu versehen – die fortgeschrittene Rezeption der Werke Cashs und seine daraus folgende Heiligsprechung bei jüngeren Hörern sowie Künstlern aus dem Rock – wie auch Rapbereich („A real American gangster“ – Snoop Dogg) erfolgte ja gerade durch die mit Rick Rubin vollzogene Reduzierung auf seine Stimme mit seiner Gitarre. Aber egal, Geschmackssache. Würdevoller als ein Duett mit zum Beispiel Andreas Gabalier ist das allemal.
„Johnny Cash And The Royal Philharmonic Orchestra“ erscheint am 13.11.2020 bei Columbia / Legacy / Sony Music. (Beitragsbild: Albumcover)
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