John Grant live in Hamburg

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Die intimen Momente des John Grant

von Gérard Otremba

Der Beginn des Abends im bestuhlten Uebel & Gefährlich gehört der jungen amerikanischen Sängerin Alessi Laurent-Marke, die unter dem Bandmoniker Alessi’s Ark firmiert. Allein mit ihrer Gitarre steht sie auf der Bühne, leicht verlegen und schüchtern, aber dabei immer charmant. Alessi präsentiert dem Hamburger Publikum hauchzarte Folksongs, die nicht nur in der stimmlichen Lage an die junge Jewel beziehungsweise an Hope Sandoval von Mazzy Star erinnern. Später am Abend bemerkt John Grant etwas „Gelangweiltes“ in ihrer Stimme, als ob Alessi genug von der Welt hätte, was er gut verstehen könne. Vielleicht ist Alessi noch etwas zu jung dafür, aber schöne Songs kann sie jedenfalls schreiben.

John Grant und sein Solo-Debüt „Queen Of Denmark“

Während nebenan zum Frühjahrsdom am Heiligengeistfeld Rummel, Trubel und Heiterkeit herrscht, sich die Hamburger mit Achterbahn, Looping und Kettenkarussell amüsieren, betritt John Grant die Bühne des übel & gefährlich, begleitet von Chris Pearson am E-Piano und offeriert in den nächsten gut 80 Minuten Songs aus seinem 2010 erschienen Solo-Debüt „Queen Of Denmark“. Er eröffnet das Konzert zwar mit einem neuen Stück, „You Don’t Have To“, doch reiht sich dieser Song problemlos in die folgenden problembeladenen Lieder seines Albums. Der Song „Sigourney Weaver“ wird nach Grants im perfekten Deutsch, er hat einige Jahre in Deutschland studiert, vorgetragener Ankündigung bereits von einigen Besuchern mit Jubelrufen empfangen. Überhaupt scheint sich die Tour als Support für Wilco im Herbst letzten Jahres für John Grant gelohnt zu haben, jedenfalls sind fast alle Stühle im übel & gefährlich besetzt und an der Bar ist auch was los. Im Juni 2010 im Imperial-Theater war der Andrang noch überschaubarer. Sein Auftritt beim Rolling Stone-Weekender wird wahrscheinlich ebenfalls in guter Erinnerung geblieben sein.

John Grant, seine Vergangenheit und die Identitätskrise

„Sigourney Weaver“ ist ein typisches Stück aus Grants wunderschönen, aber leider nicht sehr populären Albums „Queen Of Denmark“, in dem sich Grant mit seiner persönlichen Vergangenheit auseinandersetzt. Und die war, wie aus den Texten und seiner Songankündigungen zu entnehmen ist, euphemistisch gesprochen nicht immer einfach. In einer streng christlichen Familie in einer Kleinstadt in Michigan in den 70er Jahren aufzuwachsen und anschließend seine Homosexualität zu entdecken, führt wohl zwangsläufig zu Problemen. Nach dem Umzug nach Denver wurde es scheinbar auch nicht besser. Diese Identitätskrisen mit allen Auswirkungen ziehen sich wie ein roter Faden durch Grants Songs. Für positive Texte sorgen andere. Aber Hoffnung besteht noch, John Grant scheint nicht zu verbittert zu sein. Denn wie dichtet er so schön in den Anfangszeilen des Titelsongs „Queen Of Denmark“: „I want to change the world, but I could not even change my underwear“. Selbstironie ist Grant wohl nicht fremd, ein gutes Zeichen.

Beeindruckende und intime Konzertmomente

Die auf Platte mit den Musikern von Midlake eingespielten Songs funktionieren live in abgespeckter Version, also lediglich von E-Piano und Keyboard begleitet, genauso gut. Das herrliche, aber tieftraurige „Where Dreams Go To Die“, die Eleganz von „It‘ Easier“ und „Marz“, das böse „Jesus Hates Faggots“, auch „Chicken Bones“, „Silver Platter“, „TC And Honeybear“ und „Caramel“ sind in der Rohversion intime Momente eines zweifelnden Grüblers. „Queen Of Denmark“ gerät schließlich zum intensiven und therapeutischen Ur-Schrei. Beeindruckend. Mit solchen Songs im Gepäck ist John Grant auch demnächst ein gern gesehener Gast in Hamburg.

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